Grube Victoria bei Littfeld
Tief im Burgholdinghauser Forst bei Littfeld fand man Überreste von Anlagen und Gebäuden die man hier nicht erwartet hatte. Burgholdinghausen ist ein Stadtteil von Kreuztal im Kreis Siegen-Wittgenstein in Nordrhein-Westfalen. Dieser Stadtteil umfasst rund 14 km² und ist damit flächenmäßig der größte Stadtteil von Kreuztal, jedoch zugleich der bevölkerungsärmste. 1/5 der Fläche von Kreuztal war Burgholdinghauser Gebiet. So hatte Burgholdinghausen im Jahre 2019 pro qkm zwei Einwohner, gesamt Kreuztal dagegen 438. Unter Wurzeln und Gestrüpp vergraben fand man Ziegel und Beton der einst bedeutenden Littfelder Grube Victoria, die einst zu einer bedeutenden Förderanlage gehörte. Die Grube hatte Fördertürme, Stollen, Schächte, Verwaltungsgebäude und Erzverarbeitungsanlagen und große Abraumhalden, die heute noch das Heimhäusertal prägen.
Aufbereitungsanlage der Grube Victoria in Littfeld (Foto Joachim Fricke)
Viele Jahrzehnte wurden hier Zink-, Kupfer-, Blei- und Eisenerz gefördert. Stollen und Schächte wurden hier bis zu einer Tiefe von 705 Meter getrieben. Hier befand man sich etwa 180 Meter unter dem Meeresspiegel. Die Anfänge der Grube liegen im Dunklen. Uralte Pingenzüge deuten aber auf ein hohes Alter hin. Auch Schlackenreste von einem alten Rennofenbetrieb, durch den seinerzeit die Erze noch an Ort und Stelle verhüttet wurden, fand man.
Ein Schachtverschluss aus Beton mit Gedenkstein verkündigte die genaue Lage des tiefen Schachtes. Blicken wir in Gedanken doch einmal zurück. Noch zu Beginn des 20. Jahrhundert war das Tal geprägt vom emsigen Treiben der Bergleute. Die Grube Victoria zählte doch zu den bedeutesten Gruben des Siegerlandes. Der älteste indirekte Hinweis stammt aus dem Jahr 1663 von Bergmeister Kutschauer als er das Müsener Revier befuhr.
OAlte Anlage der ehemaligen Grube Viktoria bei Littfeld (heute Kreuztal-Littfeld)(Bild Walter Münker)
Die Markierung der Grenze erfolgte in alten Zeiten durch Malsteine und markante Bäume (Malbäume). Diese Grenzzeichen waren seinerzeit nach germanischem Recht als heilig und unverletzlich anzusehen. Vom Grenzbaum durften bei Todesstrafe weder Laub noch Zweige abgehauen werden. Die Malsteine durften nach Volksglauben und Sage nicht wissentlich versetzt werden. So heilig galt der Grenzstein, dass schon ein darauf sitzen als Übel betrachtet wurde.
Aus einer Chronik des Kirchspiels Krombach ging hervor, dass im Jahre 1740 eine neue Gewerkschaft gegründet wurde und der Name der Grube erstmals namentlich erwähnt wurde. Auch mit dem Bau des 125 Meter langen oberen Victoria-Stollen wurde begonnen. Nach wechselnden Besitzverhältnissen und Betriebsunterbrechungen wurde die Grube im Jahre 1804 wiedereröffnet. Weitere Bleierzgänge wurden Mitte des 19. Jahrhundert mit dem 450 Meter langen tiefen Stollen erreicht. Die gewonnenen Erze wurden mit Fuhrwerken zu den unterschiedlichen Hütten der Region transportiert.
Ehemaliger Förderturm der Grube Victoria (Bild Walter Münker)
Dem Bergmann Ernst Böcking aus Littfeld verdanken wir ein detailliertes Bild des Grubenbetriebes nach der Jahrhundertwende. Der Doppelschacht mit einer Tiefe von 580 Meter erreichte in Verbindung mit zwei Blindschächten eine Gesamtteufe von 705 Meter. Die Fördereinrichtung war von der Firma Vetter/Eiserfeld errichtet worden und mit doppelstöckigen Förderkörben ausgestattet. Die Erzförderung fuhr bis 1200 m/min., die Personenförderung war mit 300 m/min. deutlich langsamer. Die Belegschaft betrug 201 Personen. Als Steiger unter Tage war auch Albrecht Wurmbach tätig. Es war der Vater des bekannten Siegerländer Heimatdichters Adolf Wurmbach.
Zwischen der Schachtanlage und der 600 Meter talabwärts liegender Aufbereitung wurde eine zweigleisige Schleppbahn errichtet. Diese Bahn, die sich auf einem aufgeschütteten Damm befand, wurde auch Bremsberg genannt, weil die talwärts fahrenden beladenen Wagen die leeren Wagen den Berg gleichzeitig wieder hinaufzogen. Die Bahn benötigte keinen Antrieb man musste nur das umlaufende Seil bremsen damit die Geschwindigkeit nicht zu groß wurde. Der weitere Transport der hüttenfertigen Erze besorgte ab 1900 eine 2,5 km lange Schmalspur Grubenbahn. Sie hatte eine Spurweite von 750 cm und führte zum Bahnhof Littfeld, wo die Erze auf Waggons verladen wurden. Bis Ende der 1950 er Jahre war diese Grubenbahn in Betrieb. Reste dieser Bahn sind zum Teil noch sichtbar, z. B. Schwellen, Schienen und Reste der Brücke über die Gleise der Bahnstrecke Hagen - Siegen.
Übersicht des "Zechenplatzes", vom Hang der ehemaligen Aufbereitung bei der Grube Viktoria (Aus Lexikon Mineralatlas)
Die Förderung an Zink und Blei betrug in den besten Jahren über 500 Tonnen monatlich. 1911 hatte die Zinkförderung und 1913 die Bleiförderung ihren höchsten Stand. Die Grube war seinerzeit eine reine Metallerzgrube. Das eigentliche Haupt Erz des Siegerlandes, der Spateisenstein spielte nur eine untergeordnete Rolle und war sogar unerwünscht. Bei zunehmender Teufe kam immer mehr Eisenstein zum Vorschein. Er wurde nun auch gewonnen. Zunächst wurde er im rohen und später im gerösteten Zustand abgesetzt. Der Stolleneingang war nicht mehr zu sehen. Lediglich an der Stelle vom Stolleneingang lief durch ein Rohr das Stollenwasser ab.
Im Jahre 1919 erfolgte der Zusammenschluss mit der Nachbargrube Heinrichsegen, deren Gänge ca. 300 m südlich von der Victoria waren. Bedingt durch den Zusammenhang beider Vorkommen und der günstigen Lage des Schachtes, von Victoria unmittelbar an das Grubenfeld von Heinrichsegen, erfolgte schnell die Einsicht in die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit. Durch den gemeinsamen Betrieb beider Bergwerke gab es große Ersparnisse.
Auch die Grasnelke kann auf dem alten Grubengelände entdeckt werden (Foto: Peter Fasel).
In der Aufbereitung an den Lesetischen arbeiteten Frauen und junge Mädchen aus Müsen und Littfeld bei harter 12 stündigen Akkordarbeit. Es hielt sie nicht davon ab bei der Arbeit zu singen. In den Jahren der Inflation 1920 bis 1923 hatte man große Mengen Zinkblende auf Halde gekippt und sie später für Goldmark verkauft. Den Bergmann hatte man mit wertloser Papier Mark bezahlt. Alle 10 Tage gab es einen Abschlag. Aber die Entwertung des Geldes war so groß, dass man dafür kaum ein Brot kaufen konnte. Es wurde gestreikt und danach gab es täglich Geld.
1923 kaufte die Bergbau-Aktiengesellschaft Lothringen den Grubenbesitz Victoria - Altenberg. Mitte der 1920 er Jahre bekamen die Gruben wirtschaftliche Probleme. Am 31.Dezember 1927 wurde die Grube Victoria stillgelegt. Zum Schluss hatte sie noch 179 Belegschaftsmitglieder. Damit erlosch auch gleichzeitig der Betrieb von Heinrichsegen auf der Zuletzt nur noch 40 Bergleute arbeiteten. Nach der Stilllegung standen die Gebäude leer. Sie wurden aber aus Sicherheitsgründen bis auf das Bürogebäude alle abgerissen. In der Aufbereitung wurde eine Flotationsanlage errichtet. Sie diente bis Mitte der 1960 er Jahre zur Gewinnung von Erzteilchen aus dem Bodensatz auch aus den umliegenden Gruben.
Millerit Fundort: Victoria Mine, Littfeld, Siegerland Größe: 4 x 3 x 3 cm. (Aus Lexikon Mineralatlas)
Alte Buchenbestände, Feuchtwiesen, sichtbare Relikte des Erzbergbaues sowie eine typische Pflanzenwelt, die das uralte Grubengelände erobert hatten gehörten zum Kulturlandschaftsbild dieses Naturschutzgebietes "Grubengelände und Wälder bei Burgholdinghausen.“ Auf Grund des mindestens 1000 Jahre andauernden Erzbergbaues, besonders aber die Zinkblende und Bleiförderung, entstanden schwermetallhaltige Halden geführt auf denen sich nur wenige Tier- und Pflanzenarten ansiedelten. Darunter waren die sogenannten schwermetallanzeigenden Pflanzen wie Hallers Grasnelke und Hallers Leimkraut. Neben den vegetationsarmen trockenen Halden fand man auch feuchte Areale mit verschiedenen Amphibien und Reptilien.
Literaturhilfe:
Martin-Elser: Grube Victoria
Norbert Stötzel: Die Grube Victoria bei Littfeld
Bahn-Express.de: Littfelder Grubenbahn
sauerlandradring: Grubengelände Littfeld-Burgholdinghausen
burgholdinghausen.de: grube-victoria
architektur uni-siegen: Grube Victoria und Umgebung.