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Heimaterde wurde mit ins Grab gegeben

Heimaterde mit ins Grab geben war früher in verschiedenen Regionen viel mehr üblich als heute. Dabei brachten die Angehörigen, eine kleine Portion Erde von dem Ort mit, wo der Verstorbene lange gelebt hatte, schon längst weggezogen war und schütteten diese in sein Grab. Nach dem der Sarg oder die Urne beigesetzt worden waren, wurde ein Gebet gesprochen. Danach warfen der Pastor oder die Pastorin dreimal Erde ins Grab. Es wurden nun folgende Worte gesprochen: „Aus der Erde sind wir genommen, zur Erde sollen wir wieder werden, Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub.“ Damit sollte ausgedrückt werden, dass der Mensch von Gott ins Leben gerufen wurde und nun zu ihm zurückkehrt. Das hineinwerfen von Sand oder Erde versinnbildlichte das gemeinsame symbolische Schließen des Grabes sowie die Vergänglichkeit des Körpers und die Übergabe des Leichnams an die Erde. In manchen Regionen wurde hierbei darauf geachtet, diese Geste genau dreimal auszuführen. Durch das symbolische Schäufelchen Erde das die Trauergäste später ins Grab warfen, wurde auch das Gemeinsame zuschaufeln des Grabes versinnbildlicht. In christlichen Kreisen wurde auch gesagt, dass dadurch die Symbolik von Erde zu Erde unterstrichen wurde. Es war, dass, was von einem alten Bestattungsritual noch übrig war. Einst waren es nämlich die nahen Angehörigen des Verstorbenen, die diesen begruben und das Grab mit der Erde füllten. Mit dem Einwurf der Erde in das Grab sagte man es dem Verstorbenen. Die Erde ist wie ein Mutterschoß, aus dem alles Leben entspringt. Die Erde ist die Heimat jeden Lebens aller Menschen. Du bist an deinem Ursprung angekommen auf den Weg zurück in die Heimat.

 Die neue jüdische Synagoge in Berlin im Juli 2020 (Bild: www.berliner woche.de)
Die neue jüdische Synagoge in Berlin im Juli 2020 (Bild: www.berliner woche.de)

Vorbild dieser Bestattungsriten durfte der von den Juden praktizierende Brauch sein. Erde aus dem Heiligen Land mit ins Grab zu nehmen. Im Mittelalter ließen sich toskanische Juden für ihre Begräbnisse ganze Schiffsladungen Erde aus dem Heiligen Land kommen. Ein besonderer Stellenwert hatte der Friedhof der Juden, denn er dürfte nicht aufgelöst werden da er ewig bestand. Ihre Gräber durften auch nicht neu belegt werden um die ewige Totenruhe zu sichern. Auf nicht jüdische Besucher wirkten die jüdischen Friedhöfe oft sehr ungepflegt, da die Gräber nicht bepflanzt wurden um die Ruhe der Toten nicht zu stören. Blumenschmuck war in der jüdischen Tradition nicht üblich, stattdessen wurden kleine Steine auf die Grabplatten gelegt. Die Gräber ließ man mit Efeu und Gras überwachsen. Nach dem Besuch des Friedhofs wusch man sich die Hände. In Deutschland sind die jüdischen Friedhöfe in der Regel am Sabbat geschlossen. Die Halacha gestattete es nicht, am Sabbat Tote zu begraben oder dort tätig zu sein. Nicht jüdische Männer wurden gebeten, aus Achtung vor den jüdischen Bräuchen auf einem jüdischen Friedhof ihren Kopf zu bedecken.

Eingangstor zum jüdischen Friedhof in Hilchenbach (Bild Gymnasium Stift Keppel 2009)
Eingangstor zum jüdischen Friedhof in Hilchenbach (Bild Gymnasium Stift Keppel 2009)

Auch bei der Beerdigung auf dem Hilchenbacher Judenfriedhof, der zu den vier Siegerländer Judenfriedhöfen zählt, wurde Erde mit ins Grab gegeben, die mit dem Schiff aus Israel kam. Der Glaube an die Wiederauferstehung und ihre Heimatlosigkeit veranlassten die Juden seinerzeit, Friedhofsgelände für unbegrenzte Zeit zu erwerben. Aus diesem Grunde konnte oft nur unzulängliches Gelände wie hier in Hilchenbach erworben werden. Heute haben diese Toten bei uns, wie Millionen Kriegsopfer in deutscher Erde, ewiges Ruherecht.

Wenn ein Mensch stirbt, muss das Fenster geöffnet werden damit die Seele in den Himmel steigen kann. Kerzen werden entzündet, eine Handvoll Erde ins Grab gestreut und nach der Trauerfeier wird zusammen gesessen und getrunken. Viele dieser Bräuche sind uralt – doch damit keinesfalls verstaubt. Es existieren viele Traditionen rund um den Tod und Trauer, die häufig religiös geprägt sind, sich jedoch auch unabhängig von Konfessionen im Volksglauben etabliert haben – und bis heute praktiziert werden. Die zum Teil Jahrhunderte alten Riten und Bräuche können den Umgang mit dem Tod erleichtern und den Hinterbliebenen helfen, Abschied von einem geliebten Menschen zu nehmen.

Der Hilchenbacher Judenfriedhof in Jahr 2009 (Bild Gymnasium Stift Kreppel)
Der Hilchenbacher Judenfriedhof in Jahr 2009 (Bild Gymnasium Stift Kreppel))

Westlich von Peronne, welche eine französische Gemeinde von etwa 7.400 Einwohner ist, gibt es ein Soldatengrab worin ein Siegerländer liegt. Er hieß Albert Pfeifer und war zuvor in seinem Leben ein Bergmann gewesen. Albert war ein ruhiger, stiller Mensch und hatte nie viel Worte gesagt. Deswegen war er bei seinen Kameraden geachtet, beliebt und gut gelitten. Doch drei Tage vor seinem Tode ist er bei seinen Kameraden in ein ganz schiefes Licht gekommen und hatte viele unschöne Worte hören müssen. Das hatte folgenden Grund, sie waren an der Front und standen tagelang unter Trommelfeuer. Aus diesem Grunde kamen keine Lebensmittel mehr zu ihnen. Aber das Schlimmste war, dass keiner mehr was zu rauchen hatte und die Leute wurden verdrossen und sehr unzufrieden. Als Albert seinen Tornister öffnete und in seinen Sachen kramte, entdeckte einer seiner Kameraden bei ihm eine Blechdose worauf stand 100 Stück Waldorf-Astoria. Es gab nun ein großes Hallodri, weil der Gefreite Pfeifer noch solch einen Schatz besaß und ihn nicht verteilte. Duckmäuser nannten sie ihn und boten ihm viel Geld für die Zigaretten. Er wurde verlegen und ganz rot. Er versicherte, dass er keine Zigaretten habe und in der Schachtel etwas ganz anderes sei.

Trauergäste umringen den Sarg bei Hofmannsthal Beerdigung während der Wiener Bürgermeister Karl Seitz Erde ins Grab wirft. (Foto Willinger Wien)
Trauergäste umringen den Sarg bei Hofmannsthal Beerdigung während der Wiener Bürgermeister Karl Seitz Erde ins Grab wirft. (Foto Willinger Wien)

Weil er die Schachtel nicht öffnete und den Tornister wieder hastig zuschnallte glaubten die Kameraden ihm nicht. Sie sahen ihn schief an. Als sie am Abend von der Patrouille wieder zurück kamen, erzählte er Hermann, einem weiteren Siegerländer den Vorfall. Ich glaube dir das, aber warum hast du denn die anderen nicht davon überzeugt? Das ging nicht, sie hätten mich ausgelacht. Er wurde verlegen und gab sich einen Ruck: „Dir kann ich es ja sagen, es ist Erde, Erde von daheim darin.“ „Erde“ fragte der Kamerad? Dann wurde Albrecht wieder verlegen und sprach mit leiser Stimme: „Ich sehe sie nicht wieder die Heimat – ich weiß es.“ „Als ich aus dem Urlaub kam“, antwortete Albrecht stockend, „da habe ich mir aus meinem kleinen Garten daheim diese Blechschachtel voll Erde mitgebracht. Es schläft sich besser in fremder Erde, wenn ein paar Krumen Heimaterde dazwischen sind.“

Kriesgräberfriedhof in Curla an der Peronne Road im Jahr 2016 (Bild staedte-fotos.de)
Kriesgräberfriedhof in Curla an der Peronne Road im Jahr 2016 (Bild staedte-fotos.de)

Albert wurde nun freier: „Oft habe ich darüber nachgedacht um einen Sinn zu finden und denke so: Ich liebe mein Vaterland, aber am meisten meine Heimat und in ihr ist mir mein kleines Haus mit dem Garten das Liebste. Wegen diesem Fleckchen kann ich all das Schwere hier ertragen. Der Gedanke eine Hand voll Heimaterde mitzunehmen war mir gekommen, als ich das letzte Mal zu Hause war. Durch die Finger habe ich sie manchmal nachts rieseln lassen, mich an ihrem Duft gestärkt und aufgerichtet.“

Am frühen Morgen, drei Tage später rollten wir nach kurzer Feuervorbereitung in zwei englische Gräben vor. Albrecht war dabei ganz vorne. Als Hermann ihn wieder sah war er tot. Er hatte einen Herzschuss bekommen und musste sofort tot gewesen sein. Im Beisein der Kameraden öffnete Hermann die Waldorf-Astoria-Schachtel, die voll schwarzer Gartenerde war. Er erzählte nun die Geschichte die Albert ihm von der Heimaterde erzählt hatte. Beschämung kam über die Gesichter und manch einer wischte sich Tränen aus den Augen. Am anderen Morgen in der Frühe wurde Albrecht begraben und ihm die Heimaterde mit ins Grab gegeben.

Das Rathaus von Peronne in Frankreich (Bild peronne rathaus-Stockvideoclips)
Das Rathaus von Peronne in Frankreich (Bild peronne rathaus-Stockvideoclips)

Literaturhilfe: Thomas Achenbach: Trauer ist Leben
kurz-natursteine: Blumen und Erde ins Grab
Hermann Reuter: Heimaterde
bestatterweblog.de: Blumen und Sand
Wikipedia: Jüdischer Friedhof
google.com: Erde mit ins Grab
abschiedstrauer.de: grab - erdwurf

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