Soziale Unterschiede gab es seinerzeit noch nicht
Auch die höheren Stände der Menschen führten um 1820 noch ein viel einfacheres Leben als heute. Die großen Unterschiede zwischen den Menschen wie heute gab es kaum. Wenn der damalige Hütteninspektor Zintgraf zur Kontrolle über seine Stahlhütte in Dahlbruch anwesend war, brachte er meistens einen oder mehrere seiner Söhne von Siegen mit. Zu Mittag ließ er sich von dem alten Wurmbach, Großvater von Ernst Wurmbach, ein Körbchen Kartoffeln und eine Dose Butter holen. Die Kartoffeln wurden mit Schale auf der Hütte geröstet und bildeten mit der Butter das Mittagsmahl. Wie bescheiden war doch von dem nicht armen Manne das Mittagessen. August Klein wohnte bei dem Bau der Dahlbrucher Eisengießerei in dem alten Münkerschen Haus in Dahlbruch und aß zu Mittag in Hillnhütten. Er spielte abends gerne im Münkerschen Wohnzimmer mit zwei Dahlbruchern und einem Maurerpolier Karten. Gewinn oder Verlust betrug ein viertel Pfund Tabak. Klein hatte den Polier stets zum Partner und dieses war der große Vorteil vom Polier. Verlor er, so bezahlte Klein den Tabak. Gewann aber Klein, so bekam der Polier den Tabak. Die heutigen sozialen Unterschiede kannte man seinerzeit noch nicht. Der alte August Klein kannte sie auch bis zu seinem Tode noch nicht an. So meinte der Pfarrer Waubke bei seiner Grabrede als er sagte: „Er löste die sozialen Fragen von Herz zu Herz."
Die Gebr. Klein - Dahlbruch - Bauten den Hammer 1834 in eine Eisengießerei um. (Bild von Gebr. Klein)
Eine Anekdote kennzeichnet zunehmend, wie das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer seinerzeit war. Der alte August ging in seinem Park spazieren. Er sah den Gärtner Flender, der Park und Garten in Ordnung halten musste und seinen Gehilfen, die sich auf Gartengeräte stützten, in der Gegend herum schauten und ganz gemütlich ihre Pfeife rauchten. „Flender“ fragte der Kommerzienrat: „was hast du eigentlich heute gemacht?“ „Nichts Herr Kommerzienrat “ erwiderte Flender. Der Alte fragte weiter: „Und der, der bei dir steht, was hat der gemacht?“ „Der hat mir geholfen,“ war die Antwort. August drehte sich um, ging weiter und lachte. (Kommerzienrat ist ein Ehrentitel, der im Deutschen Reich bis 1919 an Persönlichkeiten der Wirtschaft verliehen wurde. Die Ehrung erfolgte erst nach erheblichen Stiftungen für das Gemeinwohl und Keineswegs automatisch. So brauchten die Dahlbrucher Eltern seinerzeit keine Schulbücher zu bezahlen, denn diese wurden, von Kleins übernommen. Bereits anno 1858 wurde bei Gebr. Klein eine Betriebskrankenkasse gegründet. Die Krankenkasse fusionierte am 1. Januar 2022 mit der Novitas BKK. Sie wurde bis zu diesem Zeitpunkt unter BKK der Siemag und später der Siemag BKK geführt.
Drei der vier Brüder, die 1834 die Firma Gebr. Klein gründeten. Von links nach rechts: August Klein (der Ältere), geheimer Kommerzienrat Friedrich Klein und Kommerzienrat Wilhelm Klein. (Bild von Gebr. Klein)
Vermögens- und damit zusammenhängende Standesunterschiede wie sie heute existieren gab es seinerzeit noch nicht. Der gemeinschaftliche Besitz der Hauberge, die Verpflichtungen und Leistungen auf den Häusern, das gewerbliche Verhältnis und vieles mehr förderte das Gefühl der Zusammengehörigkeit. So wurde zum Beispiel beim Bau eines Hauses vielfach Beihilfe geleistet. Die Transporte wurden unentgeltlich oder gegen geringe Vergütung gestellt. Aufschlagen und Klaiben besorgten die Nachbarn. (Unter Klaiben versteht man in der Architektur das Ausfüllen von Fachwerkswänden. Insbesondere wurde das Klaiben bei Fachwerkhäusern und Scheunen auf dem Land angewendet. Die Knüppeln und Sträucher wurden mit Lehm und Stroh umwickelt und zwischen das Fachwerk befestigt. Nach dem verstreichen und trocknen wurde noch ein Lehmanstrich zum Füllen von Unebenheiten und glätten aufgebracht.) Zur Verpflegung wurden Körbe von Esswaren gebracht, so dass der Bauherr nach getaner Arbeit und dem Abendessen nur noch für Tanzmusik zu sorgen hatte, die dann auch von einem Zieharmonikaspieler durchgeführt wurde.
Werksgelände der heutigen SMS in Dahlbruch im Jahre 2021 (Bild von SMS)
Geld war seinerzeit sehr knapp und der Gebrauch wurde nach Möglichkeit durch Tausch- oder Warenhandel unterbunden. So wurden Hafer und Korn, gegen einen geringen Teil in den Mühlen, es waren etwa 7 % der Frucht vermalen. Raps wurde für Beleuchtungszwecke gezogen und der Samen in den Ölmühlen von Vormwald und Ferndorf in Öl geschlagen. Für die Vergütung wurde das Material ähnlich wie bei den Fruchtmühlen eingehalten. Die wohlhabenden Häuser behielten sich aus dem Vorjahr Öl, so dass das diesjährige Öl erst im folgenden Jahr verbraucht wurde. Öl gewinnt durch langes Lagern an Güte, wurde aber auch bei einem Misswuchs für den Mangel vorgebeugt. Öl war gegen heute sehr teuer und man versuchte es auf verschiedene Art und Weise zu sparen. Eine beliebte Aushilfe fand man mit etwa einen halben Meter langen Birkenspänen. Sie wurden bei den häuslichen Arbeiten, beim Viehfuttern usw. als Beleuchtungszwecke genutzt. Dieser Ersatz war allerdings feuergefährlich und die Lichtspende sehr gering. Die Menschen mussten sich noch lange mit der Beleuchtung quälen, denn Dahlbruch bekam erst 1912 elektrisches Licht. Wegen der hohen Kosten schlossen viele Familien nur zögernd an.
Die Dahlbrucher Schule im Jahre 1898 (Bild von der Gemeinde Dahlbruch)
Diese sehr gute Entwicklung des Kleinchen Unternehmens bekam der Mitbegründer August Klein zu seinen Geburtstag anno 1890 in Gedichtform in folgender Weise vorgetragen:
Vor fünfzig und mehr Jahren am Waldesrand
ward begonnen mit Eisengießhallen,
zu bilden darin mit geschickter Hand
nutzbare Geschirre vor allem
Kochherde und Töpfe verschiedener Art.
Sowie Acker- Und Wirtschaftsgeräte,
die Öfen geschliffen mit mancher Zierart
auch Eisen zu süßem Gebäcke.
Bald wuchsen die Räume der Arbeiter zahl das Wasserrad weicht der Turbine, Maschinen entstanden nach klüglicher Wahl und Dampf bewegt die Getriebe. Durcheile die Zeit wie’s ist und war, wie’s entstanden unter Arbeit und Mühen, einst Reckhämmerchen schlicht und bar, heut Maschinenbauanstalt im Blühen.
Die Gebrüder Klein Dahlbruch gründeten im Jahre 1896 in der UDSSR auf Riga eine Filiale (Bild von Gebr. Klein)
Nachdem am 3. April 1873 Kommerzienrat Heinrich Klein, einer der Mitgründer verstorben war, folgte am 22.6.1894 Kommerzienrat Wilhelm Klein, am 13. November 1897 August Klein und der letzte der vier Brüder, der geheime Kommerzienrat Friedrich Klein aus Siegen am 26.05.1898. Zum Gedächtnis an Heinrich im April 1873 kommt folgendes Gedicht zum Ausdruck. Die beiden letzten Verse lauten:
Drum bot Fortuna gerne dir die Hand, aus Berg und Hütten goss sie ihren Segen, wie allen, die mit Maß und mit Verstand und mit Bedacht die fleißigen Hände regen. Hat dieser Tote nicht verdient sein Los? Den Armen Freund und gütiger Berater den Seinen aber allen, klein und groß, ein unvergessener liebevoller Vater.
So lebtest du, ein Vorbild nah und fern, in Stadt und Land geachtet und geehrt, vom Throne selbst und königlichen Herrn zum Rat erhoben, den du nicht begehrtest. So geh in Frieden, denn dir sei die Erde leicht und Ruhe aus von Arbeit und Beschwerden. Was du gewollt, erkämpfet und erreicht, das wird dir hier zum schönsten Denkmal werden.
Alle waren hoch betagt in geistiger und körperlicher Frische bis an ihr Lebensende tätig. Mit Ableben der Gründergenerationen und durch die Änderung der Firmenform in eine AG wurde das patriarchalische Verhältnis, was früher zwischen Kleins und den Arbeitern sowie zu vielen Dahlbruchern bestand verschoben. Ja, es waren schon ehrwürdige Personen.
Literaturhilfe:
Rudi Klein: Dahlbruch
Heinz Bensberg: Chronik von Dahlbruch
Wikipedia.org: Klaiben
albert-gieseler.de: Gebr. Klein
industrie.lu: Maschinenbau-Actien-Gesellschaft vormals Gebr. Klein Dahlbruch