Die einst selbständige Gemeinde Schweisfurth
Anno 1417, genau vor 600 Jahren wurde zum ersten Mal der Ort Schweisfurth erwähnt. Es war auf einer Urkunde, wo unter den gräflichen Einkünften “der hoff tzu Schweynsfort“ aufgeführt war, mit einer Abgabe von drei Malter Korn und sieben Malter Hafer. Der Ort liegt an der Ferndorf neben Dahlbruch.
Situationsplan von der Schweisfurth, dem Reckhammer und der Dahlbrucher Hütte Anno 1828
Adelheit, die Tochter des Grafen Johann des 2. von Nassau mit der Haube, wurde 1438 im Kloster Keppel aufgenommen. Sie brachte als Aussteuer den herrschaftlichen Hof zu Schweynsfort mit. Ins Kloster Keppel wurden zur damaligen Zeit nur Frauen aufgenommen, die ein Vermögen mitbrachten. Im Schatzungsregister vom Jahre 1461 wurde ein Gadert von der Schweynsfort mit neun Gulden “Schatzonge“ vermerkt.
Verschiedene Damen mussten damals im oberen Ferndorftal schon großen Einfluss gehabt haben. Da wurde im Jahre 1580 eine Babera Schweisfurth, von der Zunft der Massenbläser, in Strafe genommen, weil sie auf der Blashütte “Zu Lohe“ gehüttet hatte. Bereits 1577 hatte sie gelobt, sich das Blasen auf dieser herrschaftlichen Hütte gänzlich zu enthalten.
Gebr. Klein Dahlbruch 1875 - Ein Teil von der Schweisfurth ist schon Industriegelände
1599 wurden in der Schweisfurth zwei Keppeler Lehnsgüter aufgeführt die im Besitz der Brüder Johann und Ludwig Schweis waren. Diese Güter hatten an einer Furt der damals breiten Ferndorf gelegen und mit großer Wahrscheinlichkeit so den Namen Schweisfurth entstehen lassen. Vor 1600 hatte Ferndorf eine Kirchspielschule. Da die Schweisfurther nach Ferndorf eingepfarrt waren, konnten die Jugendlichen auf freiwilliger Basis in diese Schule gehen. Es gab keine Schulpflicht. Die Müsener Schule, die etwa ab 1600 bestand, wurde 1627 in eine Kirchspielschule umgewandelt. Die Schweisfurther Kinder mussten nun im Winter in diese Schule, denn im Sommer gab es keinen Unterricht.
Im Oktober 1680 wurde Martinus Dörr erster Schulmeister von Müsen, zuvor unterrichtete der Pastor die Kinder. Für jedes Kind, was von den Dahlbrucher – und Schweisfurther Höfen nach Müsen zur Schule ging, musste jährlich eine Karre Holz dem Schulmeister geliefert werden. Über Güte und Größe der Lieferung war man immer unterschiedlicher Meinung.
Der Dahlbrucher Bahnhof 1918 mit einem Teil der Schweisfurth
Die Schweisfurther wurden bis 1627 auf dem Ferndorfer Friedhof, der um der Kirche lag, beerdigt. In diesem Jahr wurden sie mit den Orten Müsen, Dahlbruch, Winterbach und Merklinghausen von Ferndorf ausgepfarrt. Müsen wurde mit den anderen Orten selbständige Kirchengemeinde. Auch die Toten von Schweisfurth wurden ab diesem Zeitpunkt um die Müsener Kirche, die damals noch eine Kapelle war, beigesetzt. Zu dieser Zeit bis 1636 wütete die Pest im Ferndorftal und hatte sehr, sehr viele Opfer gefordert. Bestimmt war es mit ein Grund, dass Müsen eigene Kirchengemeinde wurde, denn ein weiterer Friedhof stand somit zur Verfügung.
Um 1750 trennten sich Dahlbruch und Schweisfurth von dem Müsener Schulverband und versuchten eine eigene Schule zu gründen. Viele Jahre war kein geeignetes Schulgebäude vorhanden. In Stefans Haus in der Hochstraße wurde eine Schulstube eingerichtet.
Im 18. Jahrhundert wurden die zwei Bauerhöfe geteilt, so dass die Schweisfurth nun vier Höfe hatte. Am 23. August 1759 wurde erstmals ein schriftlicher Vertrag zwischen dem Stift Keppel und sämtlichen Lehnshofleuten abgeschlossen der die beiderseitigen Rechte und Pflichten regelte. Alle früheren Pachtbedingungen berührten nur auf mündliche Vereinbarungen, so auch mit Johann Henrich Thomas und Johannes Setzer von der Schweisfurth.
Dahlbruch um 1900. Vorne rechts neben den Werkshallen die Schweisfurth
Die Fürsten von Nassau wollten, wie es damals üblich war, den blauen Dunst verbreiten. Aus diesem Grunde ließen sie 1781 auf der Schweisfurth eine Tabakfabrik und in Hilchenbach eine Schnupftabakfabrik bauen. Der Bestand dieser Fabriken war nicht von langer Dauer.
Am zweiten März 1850 verabschiedete die preußische Regierung das Rentenbankgesetz. Dies sah unter anderem vor, dass Erblehnsträger durch eine einmalige Abfindungssumme die Besitzergreifung der bewirtschaftlichen Erblehnsgüter möglich wurde. Die dafür zu zahlende Summe war der achtzehnfache Betrag der jährlichen Abgaben. Auch die Schweisfurther unterzeichneten diesen Vertrag. Die meisten Orte im Ferndorftal sowie Dörfer aus dem Netpherland waren Jahrhunderte lang in wirtschaftlicher Abhängigkeit von dem Stift Keppel, welches einen enormen Besitz hatte.
Fachwerkhaus Schweisfurth 11. Es war ursprünglich eine Scheune und gehörte bereits 1914 der Gemeinde
1882 errichteten die Gebr. Klein ein Menagengebäude (Schweisfurth 23). Im Erdgeschoss waren Küche, Vorratskammer und einige Schlafzimmer. 1899 und 1908 wurde je ein weiterer Anbau hinzugefügt. Unmittelbar neben der Menage Richtung Wittgensteiner Straße baute die Siemag 1940 eine Unterkunftbaracke für weitere 40 Kriegsgefangene.
Um 1900 gingen die Ortschaften Schweisfurth, Winterbach und Hillnhütten auf eigenen Wunsch nach Dahlbruch, welches durch die Maschinenfabrik Gebr. Klein ein reicher Ort geworden war. Die Gebr. Klein erweiterten ihre Produktionsstätte immer wieder auf dem Gebiet der Schweisfurth. Sie hatten 1914 bereits 1180 Beschäftigte, die alle über die Schweisfurth hineingingen.
Fachwerkhaus Schweisfurth 15 mit Scheune. Es wurde vor 1840 errichtet und 1975 abgerissen
Hierdurch entwickelte sich reges Leben in der Schweisfurth, wobei sich Geschäfte und Händler ansiedelten. In den 1920er Jahren wurden in einer Maschinenfabrik Motorräder hergestellt mit der Marke Sieg. Da nur wenige Maschinen hergestellt wurden, haben diese heute einen sehr hohen Stellenwert. Eine Herrenkleiderfabrik legte in den 1930er Jahren auch ihre Produktion nach der Schweisfurth. Ihr Areal ging in den 1960er Jahren in den Besitz der Siemag über.
Es musste davon ausgegangen werden, dass auf der Schweisfurth ehemals Nr. 5 (Jägerhaus – Setzers) der erstmals 1417 erwähnte ‘‘hoff tzu Sweynsfort“ gestanden hatte. Er gehörte zunächst den Grafen zu Nassau und ging 1438 in den Besitz des Klosters Keppel über.
Die “Talsperre” - Bild um 1925. Der Hausname entstand wegen der Querlage im Ferndorftal und erinnert somit an den Damm einer Talsperre
Viele Bauanträge waren durch die Firmen Gebr. Klein ab 1848 und ab 1928 durch die Siemag bis 1944 gestellt worden. Es sind 67 Baugesuche, die im Stadtarchiv Hilchenbach lagern aber nicht komplett sind. Anlegung einer Dampfmaschine von sechs Pferdestärken war der erste Bauantrag von 1848. 1855 Anlegung von Kleins Weiher, den die alten Dahlbrucher noch gut in Erinnerung haben. 1872 Neubau eines Pferdestalls. 1890 Anbau an das Gießereigebäude. 1899 Neubau eines Modellschuppens von 50 m Länge und 15 m Breite. Ebenfalls 1899 Neubau einer Maschinenwerkstatt (63,27 Meter lang und 34,38 Meter breit), 1927 Stilllegung eines Betriebzweiges, es sollten 30 Arbeiter und 90 Angestellte entlassen werden.
1928 ging es wieder aufwärts und der erste Bauantrag der Siemag betraf die Herstellung eines Privatgleisanschlusses. 1936 Abbruch der Holzkonstruktion des alten Drehereigebäudes in eine Eisenkonstruktion. 1937 Einrichtung einer Telefonzentrale. 1938 Ausbau der Luftschutzräume und –keller. 1942 Neubau von zwei Wohnbaracken mit Abort zur Unterbringung von 150 Kriegsgefangenen. 1944 Neubau einer Montagehalle.
Wie die Ferndorf noch nicht reguliert war und Hochwasser hatte, waren immer einige Häuser der Schweisfurth von Wasser umgeben. So auch das mächtige, langgezogene elf Familienhaus, obere Schweisfurth Nr. 2 bis 22. Es stand dann wie ein Sperre bzw. Riegel quer zum Ferndorftal und wurde aus diesem Grund im Volksmund auch Talsperre sowie Arche Noah genannt.
Quellennachweis:
Kirchengemeinde Müsen : Vom Kindelsberg und Martinshardt
Wilhelm Feldmann : Dahlbruch – einst und jetzt
Reinhard Gämlich : Archiv der Stadt Hilchenbach
Heinrich Strack : Aus dem Leben des Schulmeisters Martinus Dörr zu Müsen
Museumsleiter Reinhard Gämlich : Haus und Familiennamen aus dem Kirchspiel Müsen