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Ostern 1945 in einem Luftschutzbunker

Auch in der Osternacht zum 1. April 1945 wurde in dem längst verloren gegangenen 2. Weltkrieg noch bitter gekämpft und die Gräueltaten noch lange nicht beendet. In der Osternacht zum 1. April 1945 wurden im KZ Hinterbrühl, welches sich an der Hintergasse bei Wien befand, noch 51 Gefangene (Zwangsarbeiter), durch eine Benzinspritze ins Herz getötet und in ein Massengrab auf dem Lagergelände verscharrt. Als am 1. April 1945 das Lager aufgelöst wurde, mussten sich knapp 1.900 Häftlinge zu Fuß nach Mauthausen aufmachen. Die Strecke von Hinterbrühl bis nach Mauthausen in Österreich beträgt 161 km. 204 Menschen überlebten den Marsch nicht. Die meisten Häftlinge stammten aus Polen, der Sowjetunion und Italien. Die Häftlinge wurden zum Bau von Flugzeugteilen und Teilen für die V2 Rakete eingesetzt.

Gefangen und eingesperrt im KZ Hinterbrühl in Österreich   Bild u-teti-soni.blogspot.com
Gefangen und eingesperrt im KZ Hinterbrühl in Österreich Bild u-teti-soni.blogspot.com

Aber auch im Siegerland war der unsinnige, bittere Krieg noch lange nicht zu Ende. Nach den Rückzugskämpfen der Wehrmacht im Westen im Winter 1944/45 standen amerikanische Truppen Ende März 1945 vor den Toren des Siegerlandes. Siegen war gut gerüstet, denn 15 Bunker waren im 2. Weltkrieg gebaut worden. Heute gibt es nur noch einen einzigen in der Hochstraße am Schlosspark mit Platz für 650 Menschen. Am 30. März 1945 wurde Siegen und Eiserfeld besetzt. Tagelang wurde erbittert um die Höhenstellungen westlich von Siegen und Weidenau sowie um den Kreuzberg bei Netphen und anderen Orten gekämpft. Besonders schwer war auch Gosenbach von den Kampfhandlungen betroffen. Anfang April rückten amerikanische Truppen in den Ort Gosenbach vor. Mehrere Tage lag der Ort unter starkem Artilleriefeuer, bis am 8. April 1945 der heftige Kampf um Gosenbach zu Ende ging. Nach Beendigung der Kämpfe wurden die im Ort Gefallenen auf dem Gemeindefriedhof beigesetzt, wo eine Gedenkstätte gebaut werden sollte. 29 Opfer der Kämpfe, darunter 3 Zivilisten und eine Mutter mit ihrem Kind, fanden dort ihre letzte Ruhestätte.

Fußmarsch der KZ Häftlinge von Hinbterbrühl nach Mauthausen  Bild www.big.com/images
Fußmarsch der KZ Häftlinge von Hinbterbrühl nach Mauthausen Bild www.big.com/images

Überall in Deutschland gab es Bunker in denen die Menschen vor den Luftangriffen Schutz suchten. Siegen hatte sehr viele Luftschutzbunker wodurch hunderte Menschen bei den Luftangriffen gerettet wurden. Aber auch in den anderen Orten vom Siegerland hausten zu Ostern 1945 noch viele Menschen in den Bunkern und suchten Schutz. Lassen wir doch eine Insassin einmal über diese Zeit erzählen. Wir haben das frohe Osterlied „Ostern, Ostern, Frühlingswehen“ in der Osternacht vor 80 Jahren im April 1945 dennoch gesungen. Wir waren umgeben in einer dunklen, tiefen Grabesnacht mit kalten triefenden Wänden. Es waren die Felswände in der Höhle des Luftschutzstollen, der einer Grabkammer ähnlich war. Oft haben wir in diesem feuchten Erdloch Zuflucht gesucht, wenn die feindlichen Bombengeschwader über unser friedliches Dorf flogen um Städte in Trümmern zu legen.

Eingang eines Luftschutzbunkers versteckt im Wald  Bild Marcus von der Ruhren
Eingang eines Luftschutzbunkers versteckt im Wald Bild Marcus von der Ruhren

Angst und Schrecken jagten uns wie gehetztes Wild, das sich vor der Büchse des Jägers verbirgt. Wenn wir das Dumpfe donnern der Explosionen von den Bombeneinschlägen hörten und wenn die Feindflieger ihre Leuchtspuren am Nachthimmel hinterließen, die die Nächte fast taghell machten. Man konnte nie wissen ob wir jemals wieder lebend aus dieser Höhle kamen. Für viele Menschen waren die Stollen und Bunker zu Grabkammern geworden, aus denen sie erst nach Wochen oder Monaten geborgen werden konnten. Elend und Trauer, Angst und Schrecken und viel Leid waren unsere Wegbegleiter in jener Zeit. Der Schrecklichste aller Kriege ging Ostern 1945 seinem Ende zu. Wir durften nicht darüber reden aber wir hörten es, dass die Front immer näher kam. Ein Spähtrupp meist auf Händen und Füßen kriechend kam bis zur Höhe. Sie erzählten uns später, dass es nur noch einige Tage dauern würde bis die Amerikaner in unser Dorf kämen. Im Freien Grund, bis zur Lipper Höhe und vor der Kalteiche sähe man an vielen Stellen Rauch aufsteigen der von Bränden herrühren musste. Der Gedanke, was mit uns werden würde war schauerlich und niemand konnte entfliehen.

Bunker in der Hindenburgstraße, mit Heizungsanlage links der Schornstein  Bild www.siegener-unterwelt
Bunker in der Hindenburgstraße, mit Heizungsanlage links der Schornstein Bild www.siegener-unterwelt

Wir erlebten noch eine furchtbare Nacht, als alle Brücken in unserem Dorf gesprengt wurden. Unter beten und wachen haben wir die letzten Tage und Nächte verbracht. Ein Todeshauch lag über allem. Doch ein großer Trost war uns geblieben, die Zuflucht zu Gott. Er war ja derselbe geblieben, der er immer war. Ihn durften wir um Stärke und Kraft bitten, denn wir waren in seiner Hand. Am Grün-Donnerstagmorgen kurz nach sieben Uhr hieß es, welches furchtbar war, „Die Amerikaner kommen über „det Läjjelche“ gekrochen auf unseren Stollen zu.“ In den hintersten Winkel vom Stollen drängten wir uns zusammen. Es war schrecklich. Da rief jemand „Wir brauchen keine Angst zu haben. Draußen wird verhandelt. Ein Mann der englisch sprechen könnte sollte Auskunft geben. Man wollte Gewissheit haben, dass keine deutsche Soldaten mehr im Stollen verborgen waren.“ Schwerverwundete waren noch da, aus dem Behelfslazarett der neuen Marktschule, denen geschah auch nichts. Wer wollte konnte aus dem Stollen gehen und die Amerikaner verteilten Zigaretten und Schokolade. Der restliche Tag wie auch der Karfreitag verlief ziemlich ruhig für uns, außer dem Ballern der schweren Artillerie sowie dem Motorengeräusch der Aufklärer die den ganzen Nachschub der Amerikaner absicherten. Nachts wackelten die Häuser durch die Abschüsse die immer noch erfolgten. Wir waren nicht mehr im Stollen, denn die Luft war unerträglich und viele hatten schon die Stollenkrankheit.

Volkstrauertag in Gosenbach.Zum Gedenken an die Toten wird auf jeden Stein eine Rose gelegt Bild Siegener Zeitung
Volkstrauertag in Gosenbach.Zum Gedenken an die Toten wird auf jeden Stein eine Rose gelegt Bild Siegener Zeitung

Bis Karsamstag war es still im Dorf und wir richteten uns auf Ostern ein. Es war ein herrlich warmer Frühlingstag und wir lüfteten die Decken und Betten aus dem Stollen der nun leer war. Dann plötzlich kam die Kriegsfurie wieder zurück. Unsere Artillerie schoss von der Gosenbacher Höhe wieder in unser Dorf und es gab Tote, Verletzte und Brände. Ganz in der Nähe musste ein Einschlag erfolgt sein, denn der ganze Berg zitterte. Vor der Bunkertüre hielten die Amerikaner Wache, niemand durfte aus der tiefen Grabesnacht hinaus. Doch wir waren nicht allein, denn in den Weinen und Klagen erklang plötzlich ein Gitarrenspiel junger Stimmen und sie sangen es in die betrübten Herzen. „Ostern, Ostern, Frühlingswehen! Ostern, Ostern, Auferstehen aus der tiefen Grabesnacht! Blumen sollen fröhlich blühen, Herzen sollen heimlich glühen, denn der Heiland ist erwacht. usw.“

Das Backhaus dahinter die alte Schule in Gosenbach  Foto Dirk Herrmann
Das Backhaus dahinter die alte Schule in Gosenbach Foto Dirk Herrmann

Allmählich stimmten alle in den frohen Ostergesang mit ein. Ein Lied reihte sich ans andere. Unsere Gedanken waren bei Jesus, der wegen unser Willen am Kreuz starb damit wir durch sein Blut die Vergebung der Sünden empfangen, der des Grabes Fesseln sprengte und der Siegesfürst ist über Tod und Leben.

Literaturhilfe:
www.noen.at Schreckliche Erinnerungen
Volksbund Gemeinsam für den Frieden
Lydia Meyer Ostern 1945
www.mauthausen-guides.at
www.wp.de - siegerland

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