Siegen hatte 1953 noch 400 Gaslaternen
Ganz düster war es in Siegens Straßen noch bis in die Mitte des 19. Jahrhundert. Es gab viele schmutzige enge Gassen in denen man bei Dunkelheit nicht sah in welchen Dreck man trat oder wer hinter der nächsten Ecke lauerte. Was da nachts auf den Straßen flimmerte und schimmerte waren Menschen, die vom Stammtisch oder sonst woher mit ihrer Laterne nach Hause strebten. Natürlich leuchteten die Laternen vom Nachtwächter und dem Turmwächter der Nikolaikirche die ganze Nacht. Es gab aber auch schon rußige, flackernde Öllaternen, die die Straßen nachts etwas erhellten. Die Öllaternenanzünder liefen bei Dämmerung mit einer Leiter und bis 15 Ölkännchen, die mit einem Draht befestigt waren, umher. Der Inhalt eines Ölkännchens reichte für die Brenndauer einer Laterne eine Nacht. Er musste also jeden Abend 15 Laternen mit Öl füllen und sie anzünden.
Alte Straßenlaterne Handzeichnung (Autor: makar)
Siegen hatte 1837 gut 6.000 Einwohner. Im Haushaltsplan waren jährlich 30 Taler für die Beleuchtung aufgeführt. Die Kosten für die Herstellung einer Laterne betrug 15 Taler. Man wollte 20 Öllaternen für 300 Taler errichten, was nicht von der Stadtkasse bestritten werden konnte. Es mussten freiwillige Beiträge aufgebracht werden. Jeder Platz und jede Straße bekamen eine Laterne. Es gab viel Ärger, da viele meinten, die Leuchten seien an unwürdigen Ecken und Straßen angebracht worden.
Am 1. April 1887 wurde die erste Gasanstalt, die bereits 25 Jahre vorher gegründet wurde, von der Stadt Siegen übernommen. Nach langen Verhandlungen wurde zwischen der Stadt Siegen und der Firma Franke aus Dortmund ein Vertrag geschlossen, dass die Firma 25 Jahre das Gas für die Stadt und dessen Bürger zum Heizen, Kochen und Leuchten zu liefern hatte. Der Unternehmer verpflichtete sich nur reines Gas zu liefern. Das Gas wurde aus Kohle in den Gaswerken gewonnen und durch ein Rohrnetz zu den Straßenlaternen geleitet. Sämtliche Laternen mussten in 20 Minuten angezündet werden und nicht vor einer bestimmten Zeit gelöscht werden. Für jede Laterne, welche später angezündet oder früher gelöscht worden wäre, hätte der Unternehmer eine Konventionalstrafe zu zahlen. Sollte das spätere Anzünden oder frühere Löschen eine volle Stunde und mehr betragen wäre die Strafe höher ausgefallen.
Der Laternenanzünder ein Ausgestorbener Beruf (Handzeichnung)
Am 1.4.1862 wurde in der Siegstraße mit dem Bau der ersten Gaslaternen begonnen. Sie dienten zunächst nur der Altstadt. Später erhellten sie auch die Bezirke Sieghütte, danach die Hammerhütte und den Hain. Die Siegener Zeitung schrieb am 21. Juli 1862 folgendes: „Die Legung der Gasleitungsrohre schreiten in erfreulicher Weise ihrer Vollendung entgegen. Wir wollen hoffen, dass sich keine Schwierigkeiten mehr finden, welche die Eröffnung des Betriebes verzögern.“ Es ging sehr zügig voran, so dass am 1. Oktober desselben Jahres schon 74 Gaslaternen Siegens Straßen nachts erhellten. Bis zum zweiten Weltkrieg waren es 917. Es gab tüchtig Unruhe in der Bevölkerung denn das Gas brannte 1889 sehr schlecht. Die Gasflamme verbreitete häufig einen rötlich, gelben, dunklen Schein. Man versprach umgehend Abhilfe zu schaffen. Wo genaues arbeiten erforderlich war wurde neben dem Gaslicht noch eine Petroleumlampe gestellt, so schlecht leuchtete das Gas.
Ein Öllaternen Anzünder bei der Arbeit (Bild Gunnar Lanz)
Die Gaslaternen leuchteten ohne Docht und lösten langsam die rußig, brennende Öllaterne ab, sie wurden seinerzeit von Hand angezündet. Es entstand ein neues Berufsbild der Laternenanzünder. Mit einer langen Zündstange, die oben ein Stück abgeknickt war, zog der Laternenanzünder abends durch die Straßen und brachte die Laternen einzeln zum Leuchten. Viel Später konnten die Lampen mit Druckstößen im Gasnetz angezündet werden. Das klappte aber nur, wenn in der Laterne immer eine Flamme brannte.
Die Straßenbeleuchtung wurde beeindruckt von der Erfindung des elektrischen Lichtes in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Aufwendige Wartung sowie hohe Energiekosten sprachen gegen die Gasbeleuchtung. Die elektrische Beleuchtung verbrauchte weniger Energie und hatte ein viel helleres Licht wie Gaslaternen. Auch der von Carl Auer von Welsbach entwickelte Glühstrumpf welcher bei Gaslaternen das Licht verbesserte konnte den Siegeszug des elektrischen Lichts nicht aufhalten. Auf Grund der noch vorhandenen Leitungen hielt man nach dem 2. Weltkrieg in Siegen zunächst noch an der Gasbeleuchtung fest.
Herrliche Gaslaternen (Bild Stuttgarter Nachrichten)
400 Gaslaternen brannten 1953 noch in Siegens Nebenstraßen. Zehn Laternenanzünder standen noch in den Diensten der Stadtwerke. Es waren meistens Invaliden, die Diener des Lichts, von denen jeder 40 Gaslaternen in einem abendlichen Rundgang anzünden und morgens wieder löschen musste. Ein Rundgang dauerte etwa anderthalb Stunden. Die letzte wurde erst bei Dunkelheit angezündet. Es war ein Wettlauf mit der Dämmerung. Es ging dann jeden Abend klick und wieder hatte ein Lichtmännchen eine Flamme entzündet. Wieder warf eine Lichtquelle ihren Schein auf die meist nicht glatten, sondern holprigen und mit Matsch belegten Wege.
Gaslaternenanzünder (lizenzfreies Foto)
Strom und Gas stritten sich schon länger um die Ehre, den Siegenern ihr Licht zu spenden. Wenn bei Finsternis die Menschen nichts mehr sahen und über ein Hindernis oder die eigenen Füße stolperten wurde heftig über die Anzünder geschimpft. Aber man konnte einfach nicht alle auf einmal anzünden. Also fort mit den Gaslampen, die mit der Hand angezündet wurden, her mit elektrischen Längsstrahlern für alle Straßen in Siegen. Bis zum 31. Dezember 1954 wurde das Beleuchtungsnetz der ganzen Stadt Siegen modernisiert und bis zur letzten Lampe organisiert. Die elektrischen Straßenlaternen werden heute oft durch einen Dämmerungsschalter ein- und aus- geschaltet. Der Dämmerungsschalter erfasst über eine Fotozelle die Helligkeit seiner Umgebung und je nach eingestelltem Schwellenwert gibt dieser den Schaltimpuls für die Ein- oder Ausschaltung.
Energie sparen Mit LED Straßenlampen (Foto: Green Vision)
Die Gaslaternen sind Dinge aus längst vergangenen Tagen. Sie waren es, die vor 150 Jahren nachts auch Siegens Straßen etwas erhellten. Pall Mall in London war die erste Straße der Welt, die auf diese Weise nachts beleuchtet wurde. Bald war für die Laternen die rechte Form gefunden und es verzierten viele verschiedene Girlanden aus Gusseisen die Straßenecken. Doch die große Zeit ist für sie für immer vorbei. Die Romantik der Gaslaternen verdämmert immer weiter in der Lichtfülle der modernen Welt.
Literaturnachweis:
Unser Krönchen: Siegen wollte 20 Öllaternen haben
Adolf Müller: Siegens Gasversorgung zunächst mit Mängel
Siegener Geschichten: Straßenbeleuchtung im Wandel der Zeit
Adolf Müller: Im Jahr 1953 noch 400 Gaslaternen