Der uralte Hohlweg von Ernsdorf nach Hilchenbach
Der uralte Hohlweg lief links von der Ferndorf über Bergeshöhen von Ernsdorf bis nach Hilchenbach. In der ersten Hälfte des 19ten Jahrhunderts wurde im Siegerland mit dem befestigten Straßenbau in größerem Ausmaß begonnen. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Straßen alte, tief ausgefahrene Hohlwege, die über die Berge führten, da die Talsohlen oftmals versumpft und mit Dickicht versehen unpassierbar waren. Dies können wir heute noch an zahlreichen nunmehr bewachsenen, grabenförmigen Vertiefungen in unseren Wäldern sehen. Da die Täler durch die Ferndorf und weiteren Zuflüsse sumpfig waren, blieb man auf den Höhen. Der Weg ging bei jedem Zufluss runter ins Tal, stieg dann aber wieder bergauf. Man hatte die Sonnenseite ausgesucht, da diese Seite der Ferndorf im Frühjahr schneller trocknete und daher früher befahrbar war als die gegenüberliegende Seite. Nur in Kredenbach und Hillnhütten lief ein Weg, an der anderen Seite des Baches, da die Besiedelung rechts von der Ferndorf war. Bei der Gaststätte Röter vereinigten sich die Wege wieder und es ging kurz hinter der katholischen Kirche wieder bergauf. Der bekannteste Hohlweg im deutschsprachigen Raum liegt bei Küssnacht am Rigi in der Schweiz. Dank des Satzes in der Tellsage, „Durch diese hohle Gasse muss er kommen, es führt kein anderer Weg nach Küssnacht “ wurde er bekannt.
Winter auf der Hochstraße in Alt Dalbruch um 1960 (Bild Archiv Bensberg)
Von Dahlbruch wurden die wichtigsten Angelegenheiten die an diesem Wege lagen aufgelistet. In der Waldstraße etwa beim Haus Johe kam der aus Ernsdorf kommende Weg eine gewaltige Zumündung. Diese kam aus Littfeld, ging dann über die Müsener Berge, wo es auch Zu- und Abfahrten gab und mündete hier. Viele Jahrzehnte, nein Jahrhunderte hat es gedauert, bis dieser mächtige Hohlweg, der eine zehn Meter hohe Böschung hatte, entstanden war. Ich habe nie wieder einen so tief ins Gelände gehenden Hohlweg, in dem noch ein Rinnsal lief und ein Hühnerstall war, gesehen. Er war so gewaltig, dass zu meiner Kindheit noch auf beiden Seiten ein Fahrweg war um die angrenzenden Felder und Wiesen zu bearbeiten. In der Mitte des Hohlweges lief die Grenze der Grundstücke wie bei einem Fluss. Von der Waldstraße aus in Richtung Loher Wald sah man diesen Weg noch nach dem zweiten Weltkrieg. Er wurde in meiner Kindheit nur Höhle genannt und als Mülldeponie benutzt. Man beseitigte somit die Kulturnarben der Vergangenheit. Der gewaltige Hohlweg durch den Loher Wald, der zum Teil mitten in den Waldungen lag, bekam durch diese Tarnung im zweiten Weltkrieg eine neue Bedeutung. Von seiner ehemaligen Fahrbahnoberfläche, und dies war zum Teil etwa sechs bis acht Meter tiefer als der normale Waldboden, wurden Unterstände in die Erde hinein gebaut. In diesen Bunkern bzw. Höhlen im Hohlweg suchten in den Kriegszeiten einige Dahlbrucher Familien Schutz und Sicherheit.
Auf diesem Fachwerkhäuschen war das letzte Strohdach von Dahlbruch bis 1943 (Foto Archiv Bensberg)
Etwa 30 Meter parallel zur Carl-Kraus-Straße ging es dann hinunter durch Doktors Wäldchen, wo im Krieg eine Funkstation der deutschen Wehrmacht war. Dann wurde die schon in der Planung befindliche Müsener Straße überschritten. Meine Oma, die 1893 nach dem großen Brand von Müsen nach Dahlbruch gezogen war sagte immer, dass hier noch ein tiefer Graben seinerzeit sichtbar war. Das alte Fachwerk – Schulgebäude, es war die erste Schule der Gemeinde Dahlbruch, wurde 1873 auf dem Weg nach Müsen (heute Müsener Straße) zwischen den später errichteten Häusern Bolzenius und Dornhöfer in den Hohlweg wieder aufgebaut. Jetzt musste das damals noch sehr breite Flussbett der Rothenbach durchschritten werden. Es ging dann links ab zur Dahlbrucher Hütte, auf deren Gelände heute Hallenbad, Turnhalle und Gebrüder-Busch-Theater stehen. Weiter ging auch der Weg zum obersten Dahlbruch, zu den mächtigen Fachwerkgebäuden, die alle linksseitig lagen. Der alte Weg durchschnitt aber auch die heutige Hochstraße und bog danach rechts ab zur Schweißfurth und dem ehemaligen Dahlbrucher Reckhammer, wobei er die Trasse der jetzigen B508 überwinden musste. Die älteren Dahlbrucher erinnern sich bestimmt noch an eine langgezogene Höhle, die hinten rechts an der heutigen Hochstraße 3, wo die Ärzte Hoffmann ihr Domizil aufgeschlagen hatten abbog. Es war die Zufahrt zur damals selbstständigen Gemeinde Schweißfurth und die Zuwegung zum Reckhammer.
Die ev. Kirche in Dahbruch 1954 (Foto Postkarte)
In dieser Straße durch Hilchenbach ist nur von Dahlbruch das Wichtige aufgelistet. Rechts war die Adolf Reichwein Hauptschule, die heute auf den Abriss wartet. Etwas weiter auf derselben Seite wurde das Gemeindebüro mit einer Lehrerwohnung errichtet. Nun kam das kleine Fachwerkhäuschen, welches heute noch ein Schmuckstück ist, auf ihm war das letzte Strohdach von Dahlbruch. Dann kam auch rechtsseitig die evangelische Kirche, die leider schon entweiht ist und zum Verkauf ansteht. Wo die Kirche stand war vorher ein untererdiger Betonbunker der den Namen Splittergraben hatte und vor dem Kirchenbau gesprengt wurde. Gegenüber auf der anderen Straßenseite war unterhalb von dem mächtigen Fachwerkgebäude ein Weiher, der auch als Tränke genutzt wurde. Etwas weiter stand eine Baracke für französische Kriegsgefangene. Auf der rechten Straßenseite kam dann der Siegfried, das mächtige Denkmal mit dem Schwert für die gefallenen Dahlbrucher Krieger im ersten Weltkrieg. Leider ist dieses Denkmal kurz nach dem zweiten Weltkriege abgerissen worden und auf die Müllhalde noch Allenbach gefahren worden. Weiterhin gebaut wurde hier ein evangelisches Gemeindezentrum. Die Fundamente vom Denkmal zwischen ev. Kirche und Gemeindezentrum sind noch vorhanden. Auch das Adolf Hitler Heim für die Jugend stand hier. In ihm war lange Jahre der 5. Klassenraum der alten Schule von Dahlbruch. Es wurde abgerissen und ein Pastorenhaus errichtet, welches wieder von der Kirchengemeinde verkauft wurde.
Das Haus an der Hochstraße mit der Hausnummer 18 trug vor dem Brand im Jahr 1942 das vorletzte Strohdach in Dahlbruch. (Foto wirsiegen.de)
Nun stand am Steilen Weg 5 das mächtige aus roten Ziegeln errichtete Kontors-Haus mit der Baugenehmigung von November 1896. Der Name Kontors - Haus, was von den Gebrüder Klein errichtet wurde, bezieht sich auf Nutzung als Büro. Etwas weiter auf der Straßenseite, zwischen B508 und Hochstraße, bauten die Kleins mit der Erlaubnis vom August 1874 eine mächtige Villa, welches später ein Krankenhaus wurde. Nach Kriegsende beschlagnahmten die Amerikaner dieses Gebäude. Da die Amis schon gut Bescheid wussten, brachten sie ständig Nazis in die Villa. Nach einem Verhör wurden sie in ein Lager transportiert. Nach dem die Amerikaner ausgezogen waren wurde es 1946 in ein Krankenhaus umgewandelt. Im November 1947 bekam die Privatklinik von Dr. med. Hans Stelbrink noch ein Büro- und Wirtschaftsgebäude. Da die Klinik zu klein war (1959 = 70 Betten) und kaum Parkplätze vorhanden waren wurde sie Ende 1964 abgebrochen. Es war der Vorläufer der Bernhard – Weiss – Klinik in Kredenbach.
Das ehemalige Dahlbrucher Krankenhaus umringt von mächtigen Bäumen (Bild Stadt Hilchenbach)
Auch die Prominenz zog es in die Hochstraße bzw. sie schlugen hier ihr Domizil auf. So ließ Bernhard Weiss, der damalige Besitzer der Siemag, eine Villa mit Hallenbad und Atombunker an der rechten Seite der Hochstraße bauen. Es war der einzige Atombunker, der in Dahlbruch gebaut wurde. Im Jahre 1846 wurde zwischen B508 und Hochstraße der erste Friedhof in Dahlbruch angelegt. Bereits nach sechs Jahrzenten war dieser Friedhof überbelegt und es musste ein neuer herbei. Die Straße verlief weiter und ging etwa bei der Autowerkstatt Klappert auf die B508. Hier nahm sie die Straße aus Hillnhütten auf und ging kurz hinter der katholischen Kirche wieder bergauf nach Hilchenbach, mit Wegen auf der rechten Seite der Ferndorf. Da sie seinerzeit wohl die wichtigste Straße in der heutigen Stadt Hilchenbach war trägt ein Teil der Straße heute den Namen Alte Landstraße.
Einweihung des Ehrenmals im Jahr 1923 für die gefallenen Dahlbrucher Krieger im ersten Weltkrieg.(Foto Dahlbrucher Heimatkalender 2021)
Literaturhilfe:
Reinhard Gämlich: Beiträge zur Geschichte Hilchenbachs
Heinz Bensberg: Chronik von Dahlbruch
Wikipedia: Dahlbruch
Siegener Zeitung: Im August 1983
Wilhelm Feldmann: Dahlbruch – einst und jetzt