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Die Backhäuser im Siegerland rauchen wieder

Überall standen seit langer Zeit bei uns im Siegerland die Backhäuser. Aber sie waren nicht immer vorhanden. Die meisten Häuser waren mit Stroh gedeckt. Um Holz zu sparen und Brände nach Möglichkeit zu vermeiden. kam am 18.01.1562 eine Verordnung heraus. So hieß es in § 21 der Holz- und Waldverordnung: „Das in jedem Dorf gemeine Backköfen einzuführen seien und zwar an einem feuerfreyen Orte.“ War der Ort größer, wurden auch mehrere Backhäuser angelegt. Es mögen seinerzeit sehr einfache Konstruktionen gewesen sein, die aber im Laufe der Zeit immer wieder eine technische Weiterentwicklung erfahren hatten.

Seit vielen Wochen sind die Beienbacher mit der Renovierung ihres Backes beschäftigt (Foto Jürgen Schade 2021)
Seit vielen Wochen sind die Beienbacher mit der Renovierung ihres Backes beschäftigt (Foto Jürgen Schade 2021)

Die alten Backhäuser im Siegerland waren Zeugen einer bäuerlichen Kultur und schon in Vergessenheit geraten. Nach einer notbedingten Blütezeit nach dem zweiten Weltkrieg wurde es still um den einstigen Mittelpunkt eines Dorfes. Was Bagger und Spitzhacke im Zuge der Neuordnung nicht geschafft hatten, fiel dem Zahn der Zeit zum Opfer. Durch ein Umdenken zahlreicher Heimatfreunde war erreicht worden, dass doch nicht alles Alte abgerissen wurde. So war es ihnen auch zu verdanken, dass in manchen Orten ein Backes ab und zu wieder rauchte. So rauchen heute in Netphen in sieben Orten und in Freudenberg in sechs Dörfern die Backeser zu Festen und verschiedenen Zeiten wieder.

Die noch bekannten Backhäuser waren aus Bruchsteinen oder Fachwerkkonstruktionen hergestellt. Ihr Grundriss war etwa 6 x 7 Meter. Der Backofen fand sich im hinteren Teil des Gebäudes und hatte eine Größe von circa 2 x 2 Meter. Eine gusseiserne Ofentür war an der Stirnseite und hatte Zuglöcher womit die Verbrennungsluft reguliert wurde. Der Rauch wurde aus dem Inneren des Ofens über die Kanäle in den Schornstein geleitet. Der Vorraum diente als Aufenthaltsraum und zum Unterbringen von Backgeräten. Während der Backzeit hatte man Zeit für die Unterhaltung. Es wurde das Neuste und Wichtigste aus dem Dorf im Backes besprochen.

Backesfest in Beienbach (Foto Andreas Reichenau)
Backesfest in Beienbach (Foto Andreas Reichenau)

Das Heizen des Ofens wurde mit Schanzen, die aus Reisig und Ästen des Haubergholzes zusammen gebunden waren, vorgenommen. Das Jahr über waren sie beim Wohnhaus trocken gelagert. Das Schanzenreisig hatte beim Brotbacken eine besondere Bedeutung, weil in kurzer Zeit eine hohe Hitze damit erreicht wurde. Deshalb nannte man sie auch "Flüchtige Hitze", die durch die Schieber geregelt wurde. Sie verlieh dem Brot auch einen guten Geschmack sowie eine wunderbare Kruste und sorgte für ein langsames Garbacken. Für den guten Geschmack des Siegerländer Backesbrot spielte auch der selbstgezogene Haubergsroggen eine große Rolle.

Seinerzeit gab es noch keine Thermometer, die anzeigten wann die richtige Temperatur erreicht war. Jeder hatte seine eigene Methode dieses festzustellen. Manche sahen es an der Farbe die die Schamottesteine im Ofenraum angenommen hatten. Es wurde auch eine ausgedroschene Kornähre an dem Brotschieber befestigt und in den Ofen gehalten. Wurde die Ähre dunkelbraun war die richtige Temperatur erreicht und es konnte gebacken werden. Wurde sie schwarz musste eine Weile gewartet werden oder ein Schieber wurde geöffnet um den Ofen etwas abzukühlen. War sie noch hell, musste nachgeheizt werden.

Backes von Oberholzklau im Winter (Bild aus Wikipedia)
Backes von Oberholzklau im Winter (Bild aus Wikipedia)

Von Montag bis Samstag wurde meistens gebacken. Die Reihenfolge war nach Absprache mit dem Backesschulze festgelegt worden. Wer morgens aber besonders am Montagmorgen zuerst backte, brauchte etwa zwei Schanzen mehr um den Ofen auf Temperatur zu bringen. Die Nachfolgenden profitierten davon, sie mussten aber dafür die Asche vom ganzen Tag dem Anheizer überlassen. Sie wurde als Dünger in Feld und Garten verwendet. Ein regelmäßiger Wechsel sorgte dabei für Gerechtigkeit. Gebacken wurde nach Bedarf. Es waren im Schnitt zwei Wochen. So lange hielten sich auch die mäusesicher gelagerten Brote schmackhaft. Für einen Backvorgang wurden etwa vier Schanzen benötigt. War es aber sehr kalt waren fünf bis sieben für einen Ofendurchgang erforderlich.

Im „Backes“ (Backhaus) von Irmgarteichen wurde früher wöchentlich Brot gebacken.  Bild Irmgarteichen.net)
Im „Backes“ (Backhaus) von Irmgarteichen wurde früher wöchentlich Brot gebacken. Bild Irmgarteichen.net)

Für die Sauerteigherstellung eignete sich besonders gut Roggenmehl da es viel natürliche Säure besaß. Für den Anfang nahm man einen faustgroßen Klumpen eines gewöhnlichen Brotteiges. Es war der Starter oder Anstellsauer wie er auch genannt wurde. Er blieb mit einem Tuch bedeckt an einem waren Ort, in einer Schüssel drei bis vier Tage stehen. Danach war sein Geruch sehr sauer. Nun wurde der Starter mit einem Pfund Mehl und 0,4 Liter warmen Wasser vermischt. Er blieb in einer Schüssel, die mit einem Tuch zugedeckt wurde, über Nacht an einem warmen Platz stehen. Am nächsten Tag sollte er Blasen werfen und der Vollsauer war fertig. Wollte man auch weiterhin mit Sauerteig backen füllte man etwa ein Marmeladenglas voll ab und hob es gut verschlossen bis zum nächsten Backtag auf. Etwa eine Woche hielt sich der Vollsauer wenn er kühl gelagert wurde.

Um 15 zwei Kilogramm schwere Siegerländer Schanzenbrote herzustellen wurde Folgendes benötigt: 1 kg Vollsauer, 5 kg Roggenmehl und 5 Liter Wasser von ca. 36° Celsius. Diese Mischung wurde zugedeckt und blieb etwa 12 Stunden bei warmen Temperaturen stehen. Die Masse stieg dann etwa um die Hälfte. Nun kamen noch 10 kg Roggenmehl, 5 Liter Wasser und 300 Gramm Salz dazu. Der Teig musste nun tüchtig geknetet werden und zwar bis er geschmeidig und weich war. Danach wurden die Brotlaibe geformt und mit Wasser bestrichen. Aus dem letzten Teigrest formten die Bäuerinnen ein kleines rundes Brot oder je nach Laune einen kleinen Männes. Dieses musste natürlich vor den Broten aus dem Ofen geholt werden. Es kam auch vor, dass zwei Genossen gemeinsam den Backofen nutzten. Dann wurden die eigenen Brotlaibe mit einem Kennzeichen versehen, bevor sie in den Ofen kamen.

Der Krombacher Backes wird erweitert. (Foto Anja Bieler-Barth)
Der Krombacher Backes wird erweitert. (Foto Anja Bieler-Barth)

Bevor die Brotlaibe in den Backofen kamen wurde mit dem Rührholz, Schanzen und dann Glut und Asche im Ofen gleichmäßig verteilt. Das Ofengewölbe war in der Zwischenzeit durch die Hitze innen weiß geworden. Mit dem Aschekratzer wurden Glut und Asche nun durch ein Loch, was vorne im Backofen war, in den Aschekasten gezogen. Mit einem Ginsterbesen wurde anschließend der Backofen sauber gefegt. Dabei musste der Backeswischer, wie er auch genannt wurde, regelmäßig ins Wasser getaucht werden damit er nicht zu brennen an fing. Deswegen baute man auch wenn möglich das Backhaus neben einem Gewässer.

Die Brote wurden nun in den Ofen geschoben, der etwa 250° Celsius hatte. Im Siegerland nannte man dieses Einschießen. Deswegen wurde auch das flache Holzbrett mit dem sehr langen Holzstiel, was aus einem Stück gefertigt war, Schössel genannt. Es konnten etwa 30 Brote gleichzeitig gebacken werden. Nach knapp zwei Stunden Backzeit wurden die Brote mit dem Schössel wieder herausgeholt, nochmals mit Wasser gefrischt und kurz in den Backofen zurück gebracht. Damit wurde eine glänzende Oberfläche erreicht. Nach kurzem Abkühlen im Vorraum wurden die Laibe auf den Brotbrettern nach Hause getragen.

Backes in Alchen Stadt Freudenberg (Bild aus www.alchen.de)
Backes in Alchen Stadt Freudenberg (Bild aus www.alchen.de)

Backhäuser zählten einst im Siegerland zum Spiegel der regionalen Baukultur. Sie als Kleindenkmähler zu erhalten, ihren Bestand zu sichern und wenn möglich Backes-Leben wieder einkehren zu lassen wurde als eine nicht hoch genug einzuschätzende Aufgabe endlich erkannt und im Siegerland in vielen Dörfern durchgeführt. Es war einfach herrlich wenn die knusprigen Brote eins nach dem anderen in einer Wolke wohliger Wärme aus dem Ofen geholt wurden. Duft und Anblick vermittelten dabei einen verführerischen Vorgeschmack auf ein Brot das im heißen Steingewölbe gereift war.

Der Backes von Lagenholdinghausen nicht im Ort und an einem Bach gelegen. (Bild Dieter Steffmann)
Der Backes von Lagenholdinghausen nicht im Ort und an einem Bach gelegen. (Bild Dieter Steffmann)

Literaturnachweis:
Alexander Wollschläger: Mehr Dorfgemeinschaft rund um den Backes
Horst Koch: Plätzchen aus dem Backes schmecken besser
Wilfried Lerchstein: Unser tägliches Brot - Die Tradition der Backhäuser
heimatverein- niederdresseldorf: Backen im Backes
Karl Josef Görg: Erinnerungen an das alte Backhaus

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