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Helgersdorf im Johannland war sehr mutig

Im Jahre 1299 wurde der kleine Ort Helgersdorf im Johannland auf einer Urkunde unter dem Namen Hedegersdorf erstmals erwähnt. Den eigentlichen Namen Helgersdorf gab es erst seit 1732. Vorher schrieb man den Namen in 20 Versionen. Übrigens soll es einen Ort Helgersdorf nur einmal in ganz Deutschland geben. Helgersdorf hat eine Fläche von 2,38 km² und hatte 1818 gleich 92 Einwohner und 2018 waren es 318.

Die St. Elisbeth Kapelle in Helgersdorf (Bild pv-netherland.de)
Die St. Elisbeth Kapelle in Helgersdorf (Bild pv-netherland.de)

1456 ließ Phillipp von Bicken in Helgersdorf eine Mühle bauen. Der Mühlenbetrieb wurde immer verbessert und vergrößert. Das Mühlrad wurde durch ein unterschlächtiges Wasserrad angetrieben. Im trockenen Sommer bei wenig Wasser konnte das Wasserrad nicht laufen. Die Mühle wurde verkauft und der neue Besitzer ließ das Wasserrad abbauen und durch ein oberschlächtiges neu errichten. Es hatte 4,50 m Durchmesser, war aus Stahl und hatte ein Gewicht von 1.200 kg. Es besaß 48 Schaufeln, die je ein Fassungsvermögen von 60 Liter hatten. Da auch ein langer Staugraben gebaut wurde konnte der Mühlenbetrieb auch bei wenig Wasser aufrecht erhalten werden. Längst sind alle Mühlen in der Großgemeinde Netphen still gelegt worden. Nur in Nenkersdorf kann heute noch eine mit Wasserkraft und Elektrizität arbeiten. Übrigens ist an der Nenkersdorfer Mühle 2006 der deutsche Mühlentag eröffnet worden.

Obwohl das Netpherland mit Pingen, Stollen und Schürflöchern aus mittelalterlicher Eisengewinnung überzogen war, gab es nur zwei Gruben die sich zu nennenswerten Betrieben entwickelt hatten. Es waren die Gruben Schnellenberg bei Beienbach und Jakobus in Helgersdorf. 1857 schürfte der Bauer Schwunk aus Salchendorf nach Erz und wurde fündig auf der Sang in Helgersdorf. Es wurde die Gewerkschaft Jakobus gegründet, die vom Oberbergamt in Bonn am 5. Januar 1858 das Schürfrecht erhielt. Die Belegschaft stieg bis 1871 auf 30 Mann und förderte 101 Zentner Bleierz. Der Grubenbetrieb hatte nie so richtig funktioniert, woraus sich auch der häufige Besitzerwechsel erklären ließe. Die Grube Jakobus wurde öfters geschlossen und wieder geöffnet.

Der Mahnglockenturm am Dorfplatz in Helgersdorf (Fotto Stefan Rüger)
Der Mahnglockenturm am Dorfplatz in Helgersdorf (Fotto Stefan Rüger)

Im zweiten Weltkrieg gab der Stollen Jakobus bei Angriffen den Menschen ein sicheres Gefühl. Nach der Währungsreform stieg auch die Einwohnerzahl in Helgersdorf und damit das Problem der Wasserversorgung. Man erinnerte sich an die nasse Grube Jakobus und nahm sie zum Wasserspender. Sie lieferte täglich gut 35 cbm Wasser und bekam den Spitznamen Nasser Jakob. Am 31.12.1974 wurde die Helgersdorfer Wassergewinnungsanlage mit dem Nassen Jakob an die Gemeinde Netphen verkauft und außer Betrieb gesetzt. Im trockenen Sommer 1979 wurde allerdings noch einmal auf den Nassen Jakob zurück gegriffen.

Schankwirtschaft Friedrich Wagener 1911 in Helgersdorf. Später Gastwirtschaft Meiswinkel danach Dürschke
Schankwirtschaft Friedrich Wagener 1911 in Helgersdorf. Später Gastwirtschaft Meiswinkel danach Dürschke

Im zweiten Weltkrieg wurde alles was an Rohstoffen oder Altmaterial zu bekommen war herbei geschafft. Der Krieg riss seinen Rachen immer weiter auf. Der Verbrauch an Menschen und Material war enorm. Im Jahre 1944 wurde auch die Bronzeglocke der St. Elisabeth-Kapelle aus Helgersdorf gebraucht und abgeholt. Der clevere Verlademeister Karl Büdenbender organisierte bei der Waggon Union in Dreis- Tiefenbach ein Bombenrohling. Der Rohling wurde in Helgersdorf geteilt, in einer Hälfte ein Klöppel gesetzt der dann zur Glocke umgebaut wurde. Die Fliegerbombe wurde in die Kapelle aufgehängt und ihr Ton war täglich und zu allen besonderen Anlässen zu hören.

Im Juli 1949 hatte die Kriegsglocke ausgedient und wurde durch eine Bronzeglocke ersetzt. Die Fliegerbombenglocke sollte nun verschrottet werden. Da meldete sich ein Bürger bei Ortsvorsteher Josef Kölsch und bat ihm doch die alte Glocke zu überlassen, was der Ortsvorsteher auch machte. 1989 hatte Dirk Hermann das Büchlein über die Glockengeschichte der St. Cäcilia Pfarrei gelesen und war begeistert. Er suchte nach der alten Bombenglocke und war fündig geworden. Seine Idee war es, die Glocke auf den Dorfplatz in einen Turm zu hängen, als Wahrzeichen zur Mahnung an den Frieden.

Helgersdorfer Schule im Jahre 1803
Helgersdorfer Schule im Jahre 1803

Alfons Ley und Hubert Büdenbender griffen den Vorschlag auf und setzten ihn mit Hilfe der Bevölkerung in den späteren Jahren in die Tat um. 1995, 50zig Jahre nach Befreiung vom NS Regime durch amerikanische Truppn, wurden Turm mit Glocke auf dem Dorfplatz aufgebaut und in einer kleinen Abschlussfeier der Bevölkerung übergeben. Im Herbst 1995 wurde der neue Verein „ Mahnglockenturm Komitee 1995“ von zehn Mitgliedern gegründet, unter ihnen auch Dirk Hermann. Die Eintragung des Vereins beim Amtsgericht Siegen erfolgte unter der Nr.: 2334. Folgendes hatte der Verein sich zur Aufgabe gestellt: „Die Förderung von Kultur und Heimatbewusstsein sowie Landschafts- und Denkmalpflege.“

Wenn über Helgersdorf geschrieben wird dürfen die Wahlen in der Nazizeit nicht fehlen. Am 24.04.1932 fanden die Landtagswahlen auch in Helgersdorf statt. Man wollte nach Möglichkeit eine 100 %tige Wahlbeteiligung. Deswegen wurde auch jedes alte Mütterchen zur Wahlurne gebracht. Man hatte 100% Wahlbeteiligung, denn es hatten 96 Wahlberechtigte abgestimmt. Alle 96 hatten dem Zentrum die Stimme gegeben und keine der NSDAP und somit 100% gegen Hitler.

In diesem Backes backen die Helgersdorfer auch heute noch Brot
In diesem Backes backen die Helgersdorfer auch heute noch Brot

Am 6.11.1932 war die Wahl, die Hitler später an die Macht brachte. Es gingen nicht alle Helgersdorfer zur Wahl, man hatte Angst vor den kleinen Hitlern. 64 Personen gingen zur Wahl. Folgende Parteien wurden gewählt NSDAP 1, SPD 3, KPD 2, Zentrum 58 und sonstige Parteien 0 Stimmen. Die Wahlunterlagen wurden von Parteileuten abgeholt. Netphen meldete später eine ungültige Stimme aber keine NSDAP Stimme.

Am 21.August 1934 schrieb die Nationalzeitung folgendes: „Ein trauriger Ruhm. Als einziger Ort Deutschlands wird wohl die Gemeinde Heglersdorf den traurigen Ruhm in Anspruch nehmen können, dass bei der Abstimmung am vergangenen Sonntag mehr Nein als Ja Stimmen zu verzeichnen waren. Die nein Sager haben nicht nur den Ruf der ganzen Gemeinde aufs schwerste geschädigt, sie haben sich auch selbst gezeichnet und gerichtet.“

Die alte und neue Kapelle in Helgersdorf
Die alte und neue Kapelle in Helgersdorf

Der anständige Volksteil des Amtes Netphen wendete sich mit Scham und Ekel von diesen Subjekten und wird seine ganze Kraft dafür einsetzen, dass diese Parasiten in ganz kurzer Zeit keine Gelegenheiten mehr haben werden, an dem jungen kerngesunden Baum, der Deutschland heißt, schmarotzen zu können. In Helgersdorf ging das Leben normal weiter wenn man auch einige die Parasitten vernichten wollte.

Man hatte sich bestimmt bei den Wahlen in der Nazizeit an den hohen Blutzoll, den dieser kleine Ort Helgersdorf im ersten Weltkrieg hatte, erinnert. Es gab damals etwa 110 Einwohner und 11 Gefallene. Wie es heißt soll Helgersdorf mit 10% Gefallenen zu den am meisten betroffenen Gemeinden des damaligen deutschen Reiches gezählt haben.

Als Wahrzeichen zur Mahnung an den Frieden läutet die Fliegerbombe jeden Samstag um 13.00 Uhr.

Literaturnachweis:
Stadt Netphen: Helgersdorf
Alfons Ley: 700 Jahre Stadt Netphen.
Wikipedia: Wassermühle Nenkersdorf
Stehende Stadtführung: Mahnglockenturm

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