Gedichte von Rudolf Marpe aus Dahlbruch
Leider ist der im zweiten Weltkrieg schwer kriegsbeschädigte Lehrer und Heimatdichter Rudolf Marpe in Vergessenheit geraten. Die im ersten Weltkrieg eingeschmolzenen Kirchenglocken der ev. Kirchengemeinde Müsen wurden am 20. Juni 1920 durch drei neue Gussstahlglocken ersetzt. Hierzu schrieb Rudolf Marpe folgendes Gedicht.
Am 18. Mai 1953 erhielt die ev. Kirchengemeinde Dahlbruch ihre Glocken. (Foto Ev. Kirchengem. Müsen)
Glockenweihe
Drei eiserne Zungen künden wieder
der alten Gemeinde die alten Lieder.
Sie sind gegossen in Deutschlands Not,
die Glocken zu Waffen schmieden gebot.
So spricht der Pfarrer zur Kirchengemeinde,
die ernst im Gotteshaus sich vereinte.
Zwei Glocken gaben wir für den Krieg,
vergebens hofften wir auf den Sieg.
Und öde war es in den Turmeshöhlen.
Heut klingen drei andere, metallene Kehlen.
Wir wollen sie weihen mit unserem Mund
und wenn wir sie hören in dieser Stunde,
an seiner Weihe ist alles gelegen.
Die Größte sei Friedensglocke genannt,
sie möge Frieden künden dem Land!
Als Sonntagsglocke rufe ich die zweite.
Am Feiertag uns das Geleite.
Nun mögen die Glocken mit lautem Frohlocken
tönen allein. Dann im Verein.
Die Betglocke spricht, arbeite nicht,
ehe du gedacht der himmlischen Macht.
Sie hilft dir gern. Danke dem Herrn.
Sonntagsglocke spricht. Vergiss mich nicht.
Erinnere dich weit furchtbare Zeit.
Gott ist dir nah, Friede ist da.
Dann rufen sie alle mit einigem Schalle.
wir wurden gegossen, aus Feuer geschaffen.
Hängen hier oben und weisen nach droben.
Heute zur Weihe rufen wir dreie
Frieden, Wort und Gebet zu der Höhe,
dass uns das göttliche Ohr auch versteh.
Der Pfarrer spricht zur Festgemeinde
das uns der Klang hier recht oft vereine,
wünsche ich von Herzen,
Aus schallenden Erzen ruft Gottes Stimme.
So lasst uns jetzt singen:
Herrgott wir bringen, dich zu lobpreisen,
diese Glocken als Diener dir dar.
Die Glocken in der ev. Kirche in Dahlbruch hängen. (Bild Dahlbrucher Heimatverein)
Zur letzten Einfahrt in die Grube Stahlberg
am 31. März 1931 schrieb Rodolf Marpe Folgendes:
Stumm liegen Stollen und versteckte Halden.
Der Traum vom reichen Stahlberg ist verweht.
Doch einmal noch bebt hoch im Förderturme
das blanke Seil, bevor es schweigend steht.
Der Tag der letzten Schicht ist nun gekommen,
weithin im Land hat man es vernommen.
Hier haben Tausende den Berg des Stahls verehrt,
selbst Fürsten haben seinen Ruhm vermehrt.
Im Chor der Kirche blinken blasse Erze,
das alte Glöcklein läutet bang und hohl.
Mit einem Kranz für all die toten Knappen
ertönt ein letzter Gruß Fahrt wohl.
Und wenn wir trauern ob der letzten Einfahrt,
ein Trost erquickt und trotzt der Not der Zeit.
Was auch aus ihrem Schoß die Zukunft spendet,
der Ruhm des Stahlbergs bleibt in Ewigkeit!
Das Feriendorf Müsen (Feriendorf-müsen.de)
Sommernacht am Stahlberg bei Müsen
von Rudolf Marpe Dahlbruch
Ich stieg bergan. Die blaue Nacht erglänzte
im weißen Licht das aus der Höhe kam.
Die Wiesen, die der Berge Saum begrenzte,
sie schliefen tief wie Träume wundersam.
Nur aus dem Stahlberg drang ein wehes Klagen,
ein Bergmannslied, verblasst und sonderbar,
voll müder Sehnsucht nach verrauschten Tagen,
als noch der Erzbau Müsens Reichtum war.
Das Steigerlied vom Bergbauverein (Bild erzgebirge.tv)
Am Hang der Müsener Berge
von Rudolf Marpe Dahlbruch
Die Halden grüßen aus der Zeit der Fülle,
das blanke Drahtseil tönt von alten Sagen.
Verladen ist das Erz, die milde Stille
erfüllt von Antwort banger, dunkler Fragen.
Bald fährt kein Bergmann mehr in diese Berge
und kühles Grauen weht aus stummen Schächten.
Dumpf raunt der Wind, es tanzen Gnome und Zwerge,
wenn sacht das Mondlicht tropft in klaren Nächten.
Im Besucherbergwerk Grube Tannenberg (Foto Gemeinde Muldenhausen)
Müsen am Vorabend des großen Brandes 1893
von Rudolf Marpe Dahlbruch
Nun sinkt ins Abenddämmern
das müde Dorf hinein.
Ein letztes Kinderlachen
klingt auf und schläft dann ein.
Die Häuser rücken enger
zusammen wie zur Wehr.
Und auf den Dächern lastet
das Schweigen schwarz und schwer.
Der Wald am Hang der Berge
horcht düster in die Nacht.
Ein hundertjähriger Brunnen
raunt Worte heimlich sacht.
Bis über steilen Gipfel
der volle Mond aufsteigt
und still den müden Dächern
den Tau des Friedens reicht.
Mundloch des Stahlberger Erbstollen 1981 (Foto klaes-w.de)
Schlachtfest
von Rudolf Marpe Dahlbruch
Welche Freude, welcher Jubel
in der trüben, ernsten Zeit.
Vater, Mutter, Bruder, Schwester,
alle sind voll Frohsinn heut.
Aus der Küche dringen Dämpfe,
lieblich steigt der Duft empor.
Wurst und Würstchen wandern fertig
aus dem engen Trichterohr.
Seht, die Blut- und Leberwürste,
wie sie stolz ins Leben sehn.
Doch ihr Jubel währt nicht lange,
ihre Schönheit wird vergehn.
Denn das Leben ist nicht immer
volle fünfundsiebzig Jahr.
Ach schon morgen greift das Schicksal
in die stolze Würsteschar.
Aber wie die Schinken protzen
in ihrer ganzen Wichtigkeit.
Seht, sie wissen von der Teuerung
und den Nöten unserer Zeit.
Sie sind gar nicht einmal bange
vor der harten Schicksalshand.
Mutig blicken sie hinüber
nach der rauchgeschwärzten Wand.
Und aus Töpfen und aus Schüsseln
steigt des Fettes reiner Duft.
Mancher schöne Braten baumelt
in der frischen Winterluft.
Kommt, ihr Hausgenossen alle.
Ach, es war ein treues Tier,
Schinken, Würste, Speck und Braten
seht ihr nun zerstreuet hier.
Alles Leben ist vergänglich,
murmelt Mutter vor sich hin.
Und das liebe Bratwurstmachen
will ihr gar nicht in den Sinn.
Endlich ruft sie froh hinüber,
kommt nun alle an den Tisch.
Heute gibt es Schlachtfestsuppe
und drei Würste, blank und frisch.
Ach die armen Leberwürste
sehen gar so ängstlich aus.
Vater, Mutter, Bruder, Schwester
halten ihren Festagsschmaus.
Bergmannslied
von Wilhelm Klappert Dahlbruch
Glück auf, wir fahren hinab in den Schacht
in grausiges Dunkel, in finstere Nacht.
Wir graben beim dämmerden Lampenschein
das Gold für die Krone, den Edelstein.
Hell tönt der Schlegel, es sprüht das Gestein,
dann stimmen wir fromm und fröhlich mit ein.
Gott schütze uns gnädig tief unter der Erd
und all unsere Lieben am heimischen Herd.
Singt uns auch dort unten kein Vögelein
und grüßt uns nicht lachender Sonnenschein,
glänzt uns nicht die nächtliche Sternenpracht,
ein liebendes Auge doch über uns wacht.
Und drohen auch Gefahren uns, Wetter und Tod,
ist Gott doch mit uns in größter Not.
Und wenn unser Herze im Sterben bricht,
er führt uns hinauf durch Dunkel zum Licht.
Und fahren wir ein zur letzten Schicht,
Gott zünde uns an sein ewiges Licht.
Und nimm uns zu dir in den Himmel hinauf,
dort droben erschalle ein fröhlich Glück auf!
Literaturhilfe:
Fritz Klein: Historische und Wirtschaftliche Entwicklung
Wilhelm Klappert: Bergmannslied
Rudolf Marpe: Glockenweihe
Heinz Bensberg: Abschied
Rudolf Klein: Dahlbruch