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Der Erbprinz Willem Friedrich besuchte das Siegerland

Siegen war für den Erbprinz Wilhelm Friedrich die erste Station des Besuches im September 1789. Siegen hatte eine Abordnung in Bergmannstracht gesteckt um den Prinz auf der Kalteiche zu empfangen. Der Prinz kam nämlich von Dillenburg nach Siegen auf der damals schon modernen Chaussee, die auf Anordnung seines Vaters gebaut worden war. Eine Ehrenpforte, die aus Eisen gefertigt war, erregte bei dem Prinzen Bewunderung. Von den umliegenden Bergen kündigten Böllerschüsse seine Ankunft an, aber auch alle Kirchenglocken läuteten zur Begrüßung.

Wilhelm I. (Erbprinz Wilhelm Friedrich) ist der erste König des Königreichs der Niederlande. (Aus rijksmuseum.nl)
Wilhelm I. (Erbprinz Wilhelm Friedrich) ist der erste König des Königreichs der Niederlande. (Aus rijksmuseum.nl)

In Siegen standen die Bürger ehrfurchtvoll Spalier. Ungewohntes Licht bekamen sie nachts zu sehen denn es gab noch keine Straßenlampen. Mit Pauken und Trompeten wurde er gefeiert, aber man hielt sich an die Gepflogenheiten, die bei einem derartigen Besuch zu beachten waren. Die Chronisten vermerkten, dass der junge Prinz die deutsche Sprache nicht beherrschte und alles übersetzt werden musste. Eigentlich verwunderlich, wo er doch gerade zwei Jahre in Deutschland gewesen war, oder wollte er auf diese Weise Abstand vom Volk halten?

Es war ein junger Mann von siebzehn Jahren. Es war der Sohn und Erbe eines bekannten Fürsten, der sein Stammland in Deutschland hatte. In Berlin und Braunschweig wo der Prinz gerade ein Bildungsjahr verbracht hatte. Weiterhin hatte er sich soeben mit einer fünfzehnjährigen preußischen Prinzessin verlobt. Er sollte nun auf seiner Heimreise sein Stammland, wozu auch das Siegerland gehörte, besuchen.

Der Kronprinz-Friedrich-Wilhelm-Erbstollen in Kreuztal wurde 1826 -1878 erbaut und stellt eine untertägige Verbindung zu den Gruben in Müsen her. (Foto Walter Münker)
Der Kronprinz-Friedrich-Wilhelm-Erbstollen in Kreuztal wurde 1826 -1878 erbaut und stellt eine untertägige Verbindung zu den Gruben in Müsen her. (Foto Walter Münker)

Der Jüngling war der Erbprinz Wilhelm Friedrich und der Sohn von Prinz Wilhelm V. geboren am 24. August 1772 in Den Haag und gestorben am 12. Dezember 1843 in Berlin. Er verwaltete viele Fürstentümer und war von 1815 bis 1840 König der Niederlande und Großherzog von Luxemburg. Er war zuvor Erbstatthalter in den Niederlanden und Herr über die deutschen Stammlande von Nassau-Dillenburg und Nassau-Siegen. Seinerzeit hatte seine Familie auch noch Besitz in Orange (Frankreich). Deshalb waren die Landesfarben auch Gelb-Orange, wovon heute noch einige Bauten im Siegerland kund tun. In Dillenburg hatte Wilhelm V. eine Abteilung die mit Regierungsgeschäften vertraut war, in Siegen befand sich dagegen nur eine Unterdirektion. Eine Regelung die den Untertanen gut gefiel, weil der hohe Herr im fernen Den Haag sie ziemlich in Ruhe ließ.

Am 16.September 1789 hatte der Ort Müsen das sehnlich gewünschte Glück seine Hoheit den Erbprinzen Wilhelm Friedrich in seiner Mitte zu sehen. Sämtliche Knappschaften von Müsen und Littfeld hatten auf dem Römmeler Aufstellung genommen um den Prinzen abzuholen. Sie waren alle in neue bergmännische Uniformen gekleidet bis zu den Schneidjungen. Lange Zeit vorher hatte man mit militärischen Schritten in Reih und Glied an Werk- und Sonntagen mit Trompeten, Pauken und Trommelschlägen geübt. Die Bergschmieden waren besonders gekleidet und trugen ihre Schmiedeinstrumente, aber auch die Hüttenleute mit weißen Kitteln, Schurzfell und Oranienband gekleidet trugen ihr Handwerkszeug.

Fürsteneingang der Grube Stahlberg in Müsen  (Bild aus industrie und technik)
Fürsteneingang der Grube Stahlberg in Müsen (Bild aus industrie und technik)

Der Prinz fuhr mit seinem Tross auf Bergeshänge durch Hohlwege über Ernsdorf, Ferndorf, Lohe nach Dahlbruch. Kreuztal, die heute nach Siegen größte Stadt im Kreis gab es seinerzeit noch nicht. Für Pferde und Kutscher waren diese langen Fahrten durch unbefestigte Hohlwege sehr anstrengend.

Der Weg ging von Dahlbruchs Ende, dem Römmeler nach Müsen, was damals nur ein Fußweg war, der sogenannte Kirchweg von Dahlbruch nach Müsen. Die eigentliche Fahrstraße war ein Hohlweg, der über die Dahlbrucher Höhen um den Müsener Friedhof herum in den Ort führte. Der Zug seiner Hoheit war folgendermaßen aufgestellt. Zuerst ritten die nassauischen Husaren, gefolgt von jungen Herren aus Siegen in ihren Uniformen. Als drittes kam der Erbprinz in einer Kutsche nebst seinem Gefolge. Es folgte das hiesige bergmännische Corps, was sehr gut aussah.

Tafel neben dem Fürsteneingang  Bild heimatverein - gosenbach
Tafel neben dem Fürsteneingang Bild heimatverein - gosenbach

Als man in Müsen angekommen war wurde bei dem Bergschöffen Heinrich Schmidts ein Frühstück genommen. Hierbei erfolgten Begrüßungsworte Ehrungen und Danksagungen für den Besuch seiner Hoheit. Nach dem Frühstück fuhr man zum Stahlberg, wo am Eingang eine Ehrenpforte geziert war. Die Einfahrt erfolgte über die Stolleneinfahrt an der Hauptstraße wenige Monate nach ihrer Eröffnung. Der Stahlberg war übrigens damals die bekannteste Grube des Siegerlandes. Das Innwendige des Berges was man betrat war mit einigen hundert Lampen erleuchtet und sah prächtig aus. Nach dem der Prinz mit Beifall alles soweit in Augenschein genommen hatte, fuhr man nach etwa drei Stunden wieder hinaus. Der Prinz wurde nun bei einer kleinen Erfrischung mit bergmännischen Komplimenten geehrt. Nach Besichtigungen, besonders der Schmelzhütten trat man mit Anhang die Rückreise nach Stift Keppel an.

Im Stift war die Freude über den Besuch sehr groß, denn sie hatten schon Jahrzehnte keinen direkten Vertreter des Herrscherhauses gesehen. Auf den hohen Besuch hatte man sich sehr lange vorbereitet. Junge Leute waren in Uniformen mit den fürstlichen Landesfarben gesteckt worden und mussten tüchtig Marschieren üben. Ansprachen, Festgesänge usw. waren natürlich auch eingeübt. Zweifellos war der Besuch des Prinzen für Keppel ein Höhepunkt, denn der Alltag in der Abgeschiedenheit eines Damenstiftes war doch sehr eintönig. Der prächtige Konventsaal mit seinen Leuchten und Spiegeln bot ein modernes und stilvolles Ambiete für den Prinzen.

Berliner Gedenktafel am Haus Unter der Linden 11, in Berlin Mitte. (Bild aus JEWIKI)
Berliner Gedenktafel am Haus Unter der Linden 11, in Berlin Mitte. (Bild aus JEWIKI)

Von Müsen reiste die Hoheit vergnügt zum adeligen Sift Keppel was weit und breit das einzige adlige Anwesen war. Die B 508, die Straße von Kreuztal nach Hilchenbach, war noch nicht gebaut und das Tal war sehr feucht und sumpfig. Kutschen und Karren mussten auf einem schmalen Weg bzw. Hohlweg über Hillnhütten, die Allenbacher Höhe, dann über einen Furt die Ferndorf überqueren um nach Sift Keppel zu kommen.

Während die bürgerliche Begleitung in Lohe beköstigt wurde, legte sich hier mancher aus Freude des Besuches einen Vollrausch zu. Der Prinz genoss die Gastfreundschaft in Keppel. Im Vergleich zu den großen Häusern war die Speisefolge in Keppel sicher etwas einfacher, wenn man die erbärmliche Kost der einfachen Leute ringsum betrachtete, die täglich trockenes Brot und als neuste Errungenschaft Kartoffeln aßen. Sie hatten auch kein Porzellan und Silberbestecke zur Verfügung, sondern Westerwälder Keramik und Helberhäuser Holzlöffel. Zur Unterstützung der Stiftsküche soll sogar eine Köchin aus Dillenburg der Landeshauptstadt geholt worden sein. Als besonderen Leckerbissen ließ man eine prächtige Geleepastete von auswärts kommen.

Porträt von Willem Frederik (1772-1843) Prinz von Oranien, 1830  (Bild von Charles Louis Acar)
Porträt von Willem Frederik (1772-1843) Prinz von Oranien, 1830 (Bild von Charles Louis Acar)

Keppel war damals ein Simultaneum, reformierte und katholische Damen lebten hier zusammen nicht ohne Schwierigkeiten. So gab es zwei Haushalte mit getrennten Tafeln. Der hohe Besuch führte beide zur einer gemeinsamen Tafel zusammen. Die beiden Pfarrer werden sich gütig über die Form der Tischgespräche geeinigt haben. Der Erbprinz war übrigens reformiert. Die Unterhaltung wird wohl auf französisch geführt worden sein, da französisch seinerzeit die Sprache der feinen Leute war.

Der Prinz zeigte sich sehr galant und lud die Damen ins untere Schloss nach Siegen ein wobei er ihnen noch seine Leibkarosse zur Verfügung stellte. In der folgenden Zeit hatten die Keppler kein Glück mehr mit ihrem Erbprinzen. Die napoleonischen Kriege brachten Probleme für die Oranier. 1795 verloren sie ihre niederländischen Provinzen. Sie zogen sich deswegen teilweise auf Schloss Oranienstein bei Diez zurück. 1802 besuchten sie noch einmal das Siegerland und beehrten wieder Stift Keppel. Der nun 30-jährige Erbprinz kam mit Gattin, zwei kleinen Söhnen und mit seinen Eltern.

Literaturnachweis:
Wilhelm Müller: 900 Jahre und älter……
Dorothea Jehmlich: Keppel, der Erbprinz und Bruder Johannes
Wikipedia: Wilhelm I. (Niederlande)

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