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Bergbau und Industrie waren unterm Hain zu Hause

Der historische Vorort „Onnerm Häh“, das hieß unterm Hain, lag östlich bis südöstlich von der Kernstadt Siegen im Tal des Flusses der Weiß, zwischen Siegberg im Nordwesten und Lindenberg im Südosten. Der Ort siedelte sich um die Hainer Hütte an, die erstmals 1444/1445 als Ort der Verhüttung von Erz erwähnt wurde. Bereits 1311 wurde eine "massen hutte uff der Weeste", das heißt Massenhütte auf der Weiß urkundlich belegt. Dass es sich um die Hainer Hütte handelte war nicht zu erkennen aber auch nicht auszuschließen. Auf einer Karte von 1736 waren am Ufer der Weiß die Hainer Hütte sowie der Hainer Hammer angegeben.

Der gewaltige Hainer Stollen (Bild aus Siegener Unterwelt)
Der gewaltige Hainer Stollen (Bild aus Siegener Unterwelt)

26 Häuser hatte Hain im Jahr 1798. Im Jahr 1895 waren fast alle Häuser noch mit Stroh gedeckt. Im Jahr 1815 soll der Ort unterm Hain 140 reformierte und 4 katholische Bewohner gehabt haben. Unter ihnen waren 11 Hammerschmiede, 6 Massenbläser, 4 Leineweber, 3 Kappenweber, 1 Kleinschmied, 3 Wirte und 1 Branntweinbrenner. Neben dem Hüttenbetrieb bestanden in Hain auch zwei Gießereien. Die Gießerei Peipers bestand ab 1882, ihr wurde 1916 die Hainer Hütte angegliedert. 1927 fusionierten sie mit Gontermanns. Sie sind heute einer der größten Arbeitgeber dieses Gebietes. Durch die Eisern-Siegener Eisenbahn, mit dem Güterbahnhof Siegen-Hain, wurde von 1901 die Verkehrsanbindung der Betriebe an das Schienennetz der Deutschen Reichs- bzw. Bundesbahn gesichert.

Die Verkehrsverhältnisse waren bis zum Bau der Marienborner Straße sehr ungünstig, weil eine feste Fahrbahn von Marienborn nach Siegen fehlte. Deswegen führten die Holzkohle- und Erztransporte teilweise durch das Flussbett der Weiß. Bei hohem Wasserstand im Frühjahr und Herbst war kaum ein Durchkommen. Der Bau der neuen Straße von der Marienborner Straße bis zum Schleifmühlchen hatte 5017 Thaler gekostet. Es wurden Fuhrwerkskontrollstellen eingerichtet an denen jedes Mal bei einer Durchfahrt ein Chausseegeld erhoben wurde. Im Hause des Gastwirts Schmidt wurde nach jeder Durchfahrt eines Fuhrwerkes die Barriere geschlossen und zur Nachtzeit wurde eine Laterne aufgehängt.

Hochofen der Hainer Hütte  (Bild Bernd und Hilla Becher)
Hochofen der Hainer Hütte (Bild Bernd und Hilla Becher)

In den 90er Jahren des 19. Jahrhundert schloss der Magistrat der Stadt Siegen mit dem Fahrunternehmer Zahn ein Abkommen. Für das Befahren der Marienborner Straße sollte das Fahrunternehmen jährlich 200 Mark an die Barriere Kasse Hain zahlen. Kutschenfahrverkehr waren von dieser Vereinbarung allerdings ausgeschlossen. Um 1950 wurde an der Weiß ein kleines Fachwerkgebäude abgerissen. Es war die 1756 erbaute erste Schule. Als das neue Schulgebäude 1870 gebaut wurde hatte man die winzige Schule verlassen. Die alten Leute hätten oft erzählt, dass im Sommer häufig der Lehrer die wenigen Schüler nach Hause geschickt hätte, damit sie ihren Eltern bei der Feldarbeit auf dem Lindenberg helfen konnten. Klapperts Franz, die Hauptfigur im Gedicht über die winzige Schule an der Weiß galt unterm Hain als Original.

Johann Christoph Panthöfer, der Sohn von Johann Panthöfer wurde 1685 geboren und ließ 1710 ein Haus mit reichverzierten Hausschriften errichten. Der Name dieser vielleicht ältesten Hainer Familie tauchte in fast allen Auflistungen auf. In seiner Geschichte über Kaan–Marienborn ließ Dr. Lothar Irle den begüterten Gewerken Franz Panthöfer „Deckedonnefranz“ (Dukatenfranz) nennen. Man erzählte sich, dass er bei jedem Schlag seines Eisenhammers einen Dukaten verdient hätte. Der Eisenhammer befand sich in der Nähe der Maibras, dessen Name sich bis heute erhalten hatte, wo auf den Dörfern die üblichen Maifeste gefeiert wurden. Das Haus fiel wie viele herrliche Fachwerkhäuser unter dem Hain am 16. Dezember 1944 den Bomben zum Opfer. Auf den historischen Vorort Hain weisen in Siegen die bis in die Gegenwart verwendeten Straßennamen Hainer Hütte, Hainer Weg und Am jähen Hain östlich des Siegeners Stadtkerns hin.

Die Hainer Hütte (Foto Otto Arnold)
Die Hainer Hütte (Foto Otto Arnold)

Es gab auch eine Tuchherstellung unterm Hain, die wahrscheinlich eng mit dem Städtischen Flachsdörrhaus und den ausgedehnten Bleichplätzen am Fluss oberhalb der Hainer Hütte standen. Der Unternehmer Heinrich Dresler hatte im Jahr 1794 unterm Hain die Bleiche anlegen und ein Bleichhaus bauen lassen…

Über Schleifmühlchen, wo ein neuer Kreisel gebaut werden soll, steht zurzeit am meisten über den Ortsteil unterm Hain in der Presse. Der Name Schleifmühlchen war vor langer Zeit entstanden da hier eine wassergetriebene Mühle gestanden hatte, die wohl zum Schleifen von Werkstoffen und zum Schärfen von Werkzeugen diente. Sie wird aber auch zum Sägen und Schleifen von Natursteinen sowie zum Polieren von Rüstungen benutzt worden sein. Im Verzeichnis der freien Bürgergüter von Siegen stand bei der Abschrift von 1524 „em Garten uff deer weiste, da die Schliffmoll Lnne staet.“

Hain im Jahr 1909. Im Vordergrund der Fluss Weiß, oben rechts auf dem Siegberg das Obere Schloss Siegens. (Bild aus Hain Siegen - Wikipedia)
Hain im Jahr 1909. Im Vordergrund der Fluss Weiß, oben rechts auf dem Siegberg das Obere Schloss Siegens. (Bild aus Hain Siegen - Wikipedia)

In den 50er und 60er Jahren gab es im Siegener Stadtteil Hain noch zahlreiche kleine Geschäfte in denen die Bewohner ihren täglichen Bedarf decken konnten. Es gab noch über 15 Einzelhandels- und Ladenhandwerksbetriebe. Das größte Geschäft war der Lebensmittelladen von Anton Wurm. Er stand da wo sich heute die Zweigstelle der Stadtsparkasse befindet. Besonders zu erwähnen ist das Milchgeschäft Bode am Ende der Adolfstraße. Diese Anzahl von Ladengeschäften und Dienstleistern unterm Hain zeugte von einer damals noch funktionierender Nahversorgung und Eigenständigkeit dieses Stadtteils.

Bis zur Stilllegung im September 1962 zählte die Hainer Hütte zu den ältesten Hütten des Siegerlandes und war das Wahrzeichen der Vorstadt an der Weiß. Jahrhunderte erscholl täglich das Hämmern der Massenschläger durch das Tal. Nachts spiegelte sich der Hochofenabstich im dicht vorbeifließenden Bach. Und Jahrhunderte hindurch fanden die Männer aus Siegens Vorstadt einen sicheren Arbeitsplatz.

Ein Mundloch des Hainer Stollens, zum Luftschutzbunker ausgebauter Bergwerksstollen (Bild Frank Behnsen)
Ein Mundloch des Hainer Stollens, zum Luftschutzbunker ausgebauter Bergwerksstollen (Bild Frank Behnsen)

Das einzige erhalten gebliebene, dem historischen Vorort Hain zugeordnete Bauwerk war der Hainer Stollen, auch Alte Silberkaute genannt, unter dem Siegberg. Der alte Bergwerkstollen wurde ab 1941 zum Luftschutzbunker ausgebaut. Er sollte mit einer Fläche von 2230 Quadratmeter bis zu 3000 Personen Schutz vor Bombenangriffen der Alliierten geboten haben. Besondere Aufmerksamkeit erhielt er aber ab August 1944 im zweiten Weltkrieg. Es wurden zahlreiche bedeutende Kunstschätze aus dem Ruhrgebiet, dem Rheinland und aus dem Aachener Raum in ihm eingelagert mit einem Gesamtwert von 3 bis 4 Milliarden Goldmark.

Am 19. September 1962 ging eine jahrhundertalte Tradition zu Ende. An diesem Tag hatten die Möllerfahrer ihre Fahrzeuge nicht wie gewohnt mit Erz, Koks und Kalk beladen, sondern mit Basaltschotter, der zur Gicht gefahren wurde. Durch das Befüllen des Hochofens mit Schotter sollte verhindert werden, dass sich im oberen Teil des Ofens Gichtgas bildete und so eine Explosion hervorrufen könnte.

Der Kreisverkehrsplatz am Schleifmühlchen sollte seit Jahren umgebaut werden. (Bild Sonja Schweisfurt)
Der Kreisverkehrsplatz am Schleifmühlchen sollte seit Jahren umgebaut werden. (Bild Sonja Schweisfurt)

Das weißglühende Eisen verließ zum letzten Mal an diesem Tag den Hochofen. Aber auch eine Jahrhundert bestandene Quelle für Arbeit und Broterwerb unter dem Hain versiegte damit. Mit dem Hochofen erlosch die uralte Gichtgasfackel, die auch als ewiges Licht bezeichnet wurde. Auch die Abgase der Hütte reizten nicht mehr Augen und Nasen der Hainer Bürger, man konnte wieder den blauen Himmel ohne Rauchwolken sehen. Zum Zeitpunkt der Stilllegung gab es noch 117 Beschäftigte, die zum größten Teil von Gontermann-Peipers und der Eiserfelder Hütte übernommen wurden.

Amerikanischer Soldat mit dem Rubensbild "Heilige Familie" (Foto Frank Behnsen)
Amerikanischer Soldat mit dem Rubensbild "Heilige Familie" (Foto Frank Behnsen)

Literaturnachweis:
Heinrich Breitenbach: Letzter Abstich auf der Hainen Hütte
Unser Krönchen: So wars einst unterm Hain
Wikipedia: Hain (Siegen)
Siegerländer Wörterbuch: Schliffe
Heinz Prinz: Nahversorgung unterm Hain

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