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Die Armenpflege in früher Zeit

Bis ins Mittelalter gab es nur die kirchliche Altenpflege. Es war die Betreuung und Unterstützung von Witwen und Waisen, von Kranken und Bettlern, Alten und Invaliden. Klöster, Stifte und Spitäler waren federführend in den Einrichtungen. Die Kirche wusste aber nicht, dass immer größere Bettelwesen zu steuern, deswegen verlagerte sich die Finanzierung auf die Städte und Gemeinden da sie ein größeres Vertrauen genossen. Deswegen Griff 1577 auch die weltliche Gesetzgebung ein. Das Reichspolizeigesetz sah vor, dass jede Stadt und Gemeinde ihre Armen selbst ernähre. Durch dieses Reichgesetz wurden in den einzelnen deutschen Ländern Sondergesetze für die Armenversorgung ausgestellt. Auch für Dillenburg und Siegen erschienen zwei Weistümer. 1.: Jede Stadt und Gemeinde ernähre ihre Armen selbst erschien am 9. Juli 1586. 2.: Niemand darf wegen Armut aus seiner Heimat verdrängt werden wurde am 18. August 1586 verabschiedet.

Die Ausgabe der Armensuppe 1893 (Bild Albert Anker)
Die Ausgabe der Armensuppe 1893 (Bild Albert Anker)

Die Anfänge allen sozialen Handels gingen in Siegen bis ins 14. Jahrhundert zurück. Das Städtische Altersheim, Früher Hospital, war die erste Sozialeinrichtung im Siegerland. Die Stadt Siegen hatte keine reine kirchliche Altenpflege im späten Mittelalter mehr und war der Gesetzgebung vorausgeeilt. Das Vermögen von Armenkasten und der Kirche sowie die Einkünfte des Hospitals standen unter städtischer Verwaltung. Jährlich am Walpurniestag wählte der Rat die Spitalmeister die nicht etwa bei dem Pfarrer ihre Abrechnung darlegen mussten, sondern beim Rat der Stadt. Die Gründe einer so frühzeitigen bürgerlichen Armenpflege sind wohl darin zu suchen, dass der Gewerbefleiß durch den Bergbau im Siegerland eine sehr hohe Entwicklung hatte.

Der Bürgermeister, die Schöffen und der Stadtschultheiß trafen bis Mitte des 18. Jahrhundert die Entscheidung, wer auf die Armentafel gesetzt wurde. Dies bedeutete, dass diese Personen unterstützt werden sollten. 1750 wurde eine Armenkommission gegründet, die die Armen mit Lebensmittel, Kleidung und Geld zu versorgen hatte. Man richtete seinerzeit auch die städtische Armenkasse ein. In den Deutschen Nassauischen Ländern wurde im November 1772 eine Armenverordnung erlassen die aber auf Siegen keinen Einfluss Hatte. Die Ländliche Armenpflege wurde nun Sache der Kirchspiele.

Öffentliches Eintopfessen zu Gunsten des WHW 1938 in Worms (Bild Deutsches Bundesarchiv)
Öffentliches Eintopfessen zu Gunsten des WHW 1938 in Worms (Bild Deutsches Bundesarchiv)

Bei der Fremdherrschaft wurden die Gesetze nach dem französischen Muster von Wohltätigkeitsanstalten angewendet und Armenpflege angemeldet. Man übertrug die Übergabe aller Armenmittel an die Gemeinden. Von einer Schonung der örtlichen Armenpflege war keine Rede. Nach Beendigung der Fremdherrschaft nahm man wieder die alten Rechte ein und hob die französischen Gesetze auf. In Siegen kehrte man zu den alten Einrichtungen zurück aber auf dem Land wurden Bürgermeister- und Amtsarmenverbände gegründet.

Das Bild zeigt die Familie Eines armen Schusters (Zeichnung Theodoer Hosemann)
Das Bild zeigt die Familie Eines armen Schusters (Zeichnung Theodoer Hosemann)

Die Zahl derjenigen Personen, die auf Almosen angewiesen waren unterschied sich lokal nicht nach Größe und Charakter einer Stadt, sondern war auch abhängig von Krisen, von denen die Städte heimgesucht wurden. Es waren Kriege, Feuersbrünste, Seuchen, Krankheiten usw... Aktuelle Forschungen haben ergeben, dass bei vielen Städten bis zu einem Drittel der Haushalte auf Almosen angewiesen waren. Auch an der Schwelle zum 19. Jahrhundert änderte sich die Situation noch nicht. Armut war somit stets ein massenhaft auftretendes, strukturelles Problem.

Die Einrichtung der Armenverbände erfolgte auf der Grundlage vom Gesetz des Unterstützungswohnsitzes. Wo noch keine Ortsarmenverbände bestanden, mussten diese bis Juli 1871 eingerichtet werden, so dass man Grundstücke zuordnen konnte wo die Hilfsbedürftigen hausten.

Siechenhaus von Dassow wurde 1441 für Arme umgebaut.
Siechenhaus von Dassow wurde 1441 für Arme umgebaut.

Zu Beginn des 20. Jahrhundert war für einen sozial Schwachen oft die einzige Möglichkeit ärztlich versorgt zu werden einen Armenarzt aufzusuchen. Der Besuch war streng reguliert, denn es gab keine freie Arztwahl. Der Besuch war für den Kranken kostenlos, denn der Armenarzt wurde von der Gemeindekasse bezahlt. In der Stadt und in mehreren Landgemeinden gab es Armenärzte. Die Stadt Siegen hatte neun solcher Ärzte. Arzneien, die verordnet wurden, lieferten die Armenverbände und bezahlten sie auch.

Durch die neuen Verkehrsverhältnisse wurde die Geschlossenheit der Gemeinden durchbrochen. Ortsfremde ließen sich in den Gemeinden einfach nieder um Gewerbe zu betreiben und heirateten. Die Armenlast solcher zu tragen konnte den Gemeinden nicht zugemutet werden. Deswegen wurde im Dezember 1842 das preußische Gesetz zur Regelung des Armenrechts erstellt. Es sah vor, nur die zu unterstützen, die einen Unterstützungswohnsitz erworben hatten. Personen ohne Unterstützungswohnrecht waren Landarme. Im Kreis Siegen bestand unabhängig von diesem Gesetz immer noch die kirchliche Armenpflege, die aber mit dem Reichsgesetz vom Juni 1870 immer mehr an Bedeutung verlor.

Die Hospitäler im Mittelalter (Bild Josef Theobald)
Die Hospitäler im Mittelalter (Bild Josef Theobald)

Durch eine Verordnung hatte die nassauische Regierung schon 1586 alle Gemeinden verpflichtet ihre Armen selbst zu ernähren. Dieses war auch oft so durchgeführt worden. So sind alleinstehende kranke oder Arbeitsunfähige reihum in die einzelnen Häusern des Kirchspiels in Niederholzklau, oder in den entsprechenden Orten verpflegt wurden. Die Eintragung in das Totenbuch der Kirchengemeinde von Oberholzklau im Jahr 1785 bestätigt dieses. Es heißt da: „N. N. aus Niederholzklau, nachdem sie als betagte und noch ledige Person armutshalber vom Kirchspiel verpflegt wurde bald an jedem dieser Orte sich aufgehalten hatte. Sie starb ohne vorher krank gewesen zu sein in der Oberhees, an einem Schlagfluß ohne Gebrauch eines Arztes.

Mancherorts muss die Armut seinerzeit sehr groß gewesen sein. Von einem Gemeindemitglied aus Oberholzklau wird berichtet, durch seine kranke Tochter der man dem Fuß abnehmen musste, in so große Armut gelangt zu sein, dass er der Almosen höchst bedürftig sei. Von einem anderen Mann in der Gemeinde hieß es, er wegen Fleckfieber um seinen Verstand gekommen. Er musste nun mit seinen Kindern an dem Hungertuche nagen. Die Hilfeleistungen sind damals nicht immer ordnungsgemäß durchgeführt worden, was Eintragungen in das Holzklauer Protokollbuch zeigen. So sollen Begüterte beim Rundum Essen den Hilfsbedürftigen nur eine Mahlzeit am Tage gegeben haben. Andere, die lange nicht so viel hätten gaben den Armen die volle Verpflegung.

Ehemaliges Armenhaus in Hilden  (Kückeshaus 1766)
Ehemaliges Armenhaus in Hilden (Kückeshaus 1766)

Durch dieses Gesetz wurde in Stadt und Land immer mehr in geschlossenen Pflegeanstalten die Armenpflege ausgeführt. Den Armen wurde neben Sachleistungen wie Essen, Milch, Schuhwerk, Kleidung und Säuglingsmilch auch bares Geld gegeben. War der Bedürftige aber wirtschaftlich unzuverlässig, so erhielt er nur Sachleistungen. Der Reihenumgang, dass sogenannte Rundessen, war schon einige Zeit nicht mehr üblich. Nur in Siegen gab es die Haushälterinnen. Es waren drei Personen, die nach Bedarf in die notleidenden Haushalte geschickt wurden. 151 Familiengärten auf dem Hospitalland hatte die Armenverwaltung der Stadt angelegt. Die Gärten hatten eine Größe von 20 bis 30 Ruten und wurden an Kinderreiche und besonders Arme vergeben.

Panoramadarstellung des Unteren Schlosses um 1720 (gezeichnet von Wilhelm Scheiner)
Panoramadarstellung des Unteren Schlosses um 1720 (gezeichnet von Wilhelm Scheiner)

So stand immer ein Almosenkasten in der alten Holzklauer Kirche. Dier wurde jedes Vierteljahr vom Kistenmeister oder Kirchmeister geöffnet. und dieser sorgte dann für die ordnungsgemäße Verteilung an die Bedürftigen. Man unterschied dabei unter drei Arten von Armen. Da gab es 1. DIE „Hausarmen“ die als anerkannte Arme von der Gemeinde aufgeführt waren. 2. Die „heimlichen Armen“, bei ihnen war der Name geschützt und dann gab es noch die „auswertigen Collectanten“. Die hatten einen besonderen Ausweis und sammelten für einen überörtlichen Zweck Almosen. Schon seit langem wurden in Siegen die sozialen Belange von der Bürgerschaft gehegt und gepflegt. So ist in der Krönchenstadt Schon lange eine moderne und soziale Infrastruktur zum Dienst und zum Wohle der hilfsbedürftigen Bürger vorhanden und es hat sich immer den veränderten Zeiten angepasst. Neben der Stadt mit all ihren Verbänden haben auch die anderen sozialen Verbände und Vereine dazu beigetragen

Der preußische Staat gab dem Fürstentum Siegen für die Armenpflege eine Unterstützung von 1477 Thlr. 17 Sg. Und 6 Pfg. im Jahr. Zu Beginn des ersten Weltkrieges hatte dieses einen Wert 4432,75 Mark. Die Verteilung erfolgte noch der Seelenzahl in den Gemeinden. Auf Kosten des Kreises bestand in Siegen eine Wanderarbeitsstätte. Sie hatte die Aufgabe, armen Männern, die außerhalb ihres Wohnortes Arbeit suchten vorübergehend gegen Arbeitsleistung Obdach und Beköstigung zu gewähren. Die Wanderarbeitsstätte war der Verwaltung des Armenunterstützungsverein übertragen worden.

Literaturnachweis:
Sozialen: Geschichte der Sozialen Arbeit
WIKIOPEDIA: Armenpflege (Deutschland)
Theodor Kassler: Armenpflege und Wohltätigkeit
Gotmar Thiemann: Der Almosen höchst bedürftig
Gerhard Scholl: Siegen Sozialwesen heute

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