1816 war das Jahr ohne Sommer
Ein Hungertaler aufgeklappt aus dem Jahre 1816 (Bild vom stadtarchiv-lauf.de)
Ein Horrorjahr war 1816, wie es die Menschheit zuvor noch nicht erlebt hatte. Endlose Wolkenbrüche gingen über Europa und Nordamerika nieder, Flüsse traten über die Ufer, in Gewitterstürmen schwellten Bäche an zu Ströme, die ganze Dörfer mitrissen. Auch die spärlichen regenfreien Tage brachten kaum Sonnenlicht. Nebelmeere lagen über dem Land und es blieb so kalt, dass selbst im August an der Ostküste der USA immer wieder Schnee fiel. 1816 ging als Jahr ohne Sommer in die Geschichte ein. Die Folgen dieser abrupten Klimaabkühlung waren grauenvoll. Missernten, Hungersnöte und Seuchen plagten die Menschen in Europa. Tausende wanderten in die neue Welt aus, ohne zu wissen, dass auch dort das Wetter verrücktspielte. In bitteren Briefen beklagten sie ihr Leid, verzweifelt fragten sie den Allmächtigen, warum er solches Elend über seine Schöpfung schickte. Was die Welt im Jahr 1816 heimsuchte war jedoch kein strafender Gott. Es waren die Folgen eines Vulkanausbruches am anderen Ende der Welt. Der Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora im April 1815 hatte die Beschaffenheit der Luft auf dem gesamten Globus verändert. Auch in den Gemälden der großen Meister in Europa spiegelte sich die Katastrophe wieder. Denn die Farbigkeit der Himmel, vor allem der Abendhimmel soll durch die Massen von Staubpartikeln beeinflusst worden sein, die von der gewaltigen Eruption herrührten. Ursache der Hungersnot von 1816 und 1817 war ohne Zweifel ein Vulkanausbruch auf der anderen Seite der Erdkugel.
Die Hungersnot von 1816 nach einem Vulkanausbruch (Bild von Aarauer Zeitung)
Die Menschen in den anderen Erdteilen wussten damals nicht, was in Indonesien passiert war. Nachrichten aus anderen Erdteilen hatten damals einen weiten Weg und dauerten sehr lange. Die Auswirkungen des Vulkanausbruchs bekam aber die ganze Welt zu spüren. Der Grund, der Vulkanstaub des Tambora wurde hoch in die Atmosphäre geschleudert und legte sich wie ein Schleier um die ganze Erde. Deswegen war 1816 auch als Jahr ohne Sommer in die Geschichte eingegangen. Auch die Winter waren vorher und nachher besonders hart, weshalb die Menschen auch vom Jahr Achtzehnhundertunderfroren sprachen. In Mitteleuropa kam es den ganzen Sommer über dauernd zu Unwettern und zahlreichen Überschwemmungen, die zu Ernteausfällen führten. Dies wiederum hatte Hungersnöte und Seuchen wie Typhus und Cholera zur Folge.
So könnte der Lavaausstoß beim Tambora gewesen sein. (Zeichnung von pinterset.de/pin)
Nach Schätzungen starben weltweit etwa 100.000 Menschen durch das Extremwetter nach dem Vulkanausbruch. Sie waren nicht einfach Opfer einer Laune des Wetters. Ursache war der größte Vulkanausbruch der überlieferten Geschichte am 10./11. April 1815. Der zuvor 400 Jahre lang inaktive Tambora in Indonesien war förmlich explodiert. Von dem gut 4000 Meter hohen Kegel wurde das obere Drittel weggesprengt. Schätzungsweise wurden dabei 50 km³ an Erde und Gestein in die Luft geschleudert. Lavaströme, Ascheregen und Tsunamis töteten die etwa 100.000 Menschen. Aber auch drei Fürstentümer auf der Insel Sumbawa gingen dabei unter.
Im Frühjahr 1816, ein Jahr nach dem Tamboraausbruch, kam das Elend über Bayern. Die Aschewolke ließ kaum noch einen Sonnenstrahl durch. Mitte August schneite es. Kälte und Frost vernichteten die Ernte. Ein europaweites Phänomen, aber Bayern traf es am härtesten. Das Land war von den Napoleonischen Kriegen ausgemerzt. Armut und Not prägten den Alltag. Und mit dem Jahr ohne Sommer kam es noch schlimmer. Das Jahr war ungewöhnlich nass und kalt. Die Sonne war mit schwarzen Flecken bedeckt. Schauerliche Gewitter gingen nieder. Es gab keinen Monat in dem man nicht heizen musste. Weder Wein noch Frucht konnten gedeihen. Obst gab es überhaupt nicht. Schon am 17. Oktober trat harter Frost auf. Das Brot war Mangelware und schlecht. Die Kartoffeln verfaulten durch die Feuchte. Eine ungewöhnliche Teuerung war die Folge.
Eine Szene, wie sie im Jahr 1816 in weiten Teilen Europas zum Alltag gehörte (Quelle von picture alliance)
Der in Dahlbruch geborene Johannes Heinrich Jüngst schrieb in seinem Auf-Schreib-Buch die wichtigsten Auftritte und Begebenheiten von sich, auch etwas von den grauenvollen Jahren. (Verschiedene Ausdrücke sind original übernommen worden). Das Jahr 1816 war nass, wie man seit 45 Jahren keines erlebt hatte. Der Anfang bei Regen und Sonne so unbeständig, dass man bis April nur 14 Tage trockenes Wetter gehabt hatte. Den ganzen Sommer war Westwind und es regnete bis auf vier, fünf Tage ständig in die Heuernte. Zu Michaelis war das Korn kaum halb geschnitten und zu Martini stand noch ein Drittel Hafer. Drei Wochen später setzte der Schnee ein und es waren noch 50 Fuhren Hafer im Kirchspiel auf dem Feld, wir selbst hatten noch vier Wagen draußen. Größtenteils stand es in Heucheln und Stauchen (Rittern). Es war jammervoll anzusehen, wie Hasen und Vögel in drei Wochen die Hälfte des Hafers verzehrten. Weil man glaubte, der Schnee würde liegen bleiben, banden die Leute den Hafer im Schnee auf Bretter und fuhren ihn nach Hause. Nach dem Dreschen wurde er mit der Kabe (Rispe) im Backofen getrocknet. Wer Platz hatte, trocknete den Hafer im Zimmer oder auf der Bühne. Als der Hafer aber auftaute und das Wasser abfloss, verwarfen sich die Dielen. Von den Kartoffeln blieb ein Fünftel im Schnee. Fast den ganzen Winter über wurden sie noch ausgemacht. Es waren aber nicht viele, wo sie auf nassem Feld standen.
Der Vulkan Tambora war Auslöser des Jahres ohne Sommer (Foto: Iwan Setiyawan/AP)
Über 1817 schrieb Johannes Heinrich Jüngst auch einiges. Am Samstag den 21. Juni um drei Uhr nachmittags gab es ein Gewitter mit Wolkenbruch und Hagel. Der Breitenbach beim Helmes Wäldchen, in der Winterbach, im Hainchen, in Keppel und Allenbach wurde das Korn zur Hälfte nieder geschlagen und die Kartoffeln geflötzt. Jedem Dahlbrucher Einwohner wurden 50 bis 60 Karren Erde weggespült. Von Peter Freudenberg vom Henchen sind etwa 150 Karren mit genommen worden. Der Schaden allein für Dahlbruch belief sich auf 1000 Reichsthaler. Nachdem es eine halbe Stunde geregnet hatte, kam das Winterbacher Wasser beim Hüttenweiher gleichsam wie eine Walze stracks über die Wiese, so dass es eine dreimal doppelte Flut gab.
Gipfelkrater des Tambora (Foto: winterplanet.desommer 1816)
1818 schrieb er, das ganze Jahr war sehr nass, so wie die beiden vorhergehenden. Das Heu wurde schlecht geerntet, an vielen Orten war es ganz verfault. Ende Oktober war das Grummet noch nicht alle ein getan. Auf der Lützel und im Wittgenstein war noch viel Hafer draußen. Vom 16. bis 17. Oktober hatte es dickes Eis gefroren und es schneite den ganzen Tag, die Kartoffelernte fiel wieder schlecht aus, besonders auf nassem Acker. In Deutschland wurde das Jahr 1816 auch als Elendsjahr bezeichnet. Zur Erinnerung an die grausame Zeit wurden mancherorts auch sogenannte Hungertaler geprägt. Grönländische Bohrkerne deuteten allerdings darauf hin, dass der Ausbruch des Tambora nicht die alleinige Ursache für dieses Unwetter war. Man musste alles in Relation zum zeitlichen Umfeld betrachten, denn das Jahrzehnt von 1810 bis 1820 war weltweit das kälteste der letzten 500 Jahre.
Literaturhilfe:
Rose-Maria Gropp: Von glühender Lava
segu-geschichte: 1816-jahr-ohne-Sommer
winterplanet.de: Das Jahr ohne Sommer
Johannes Heinrich Jüngst: Auf-Schreib-Buch
zuerich/aktuell: Wenn die Natur das Leben der Menschen Durcheinander bringt
WIKIPEDIA: Jahr ohne Sommer