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Uralte Gassen- und Straßennamen von Siegen

Von den etwa 1240 Straßen im Siegener Stadtgebiet waren die meisten erst im Laufe der letzten Jahrzehnte entstanden, da an den Stadträndern immer wieder neue Stadtteile mit Verkehrswegen gebaut wurden, aber auch durch Eingemeindungen von kleinen Orten. Es war schon interessant, auf welche Weise all diese Straßen zu ihren Namen kamen. Die Namen der Straßen wurden in verschiedenen Gruppen aufgeteilt. Es gab Straßen mit Ortsnamen, alte Grubennamen, Berg-, Flur- und Gewässernamen, Berufsbezeichnungen sowie Personennamen. Wege stellten nicht nur Verbindungen zwischen zwei Orten, Punkten oder Menschen her, die Wegführung entschied oft darüber, wie genau diese Beziehung sich gestaltete. Wer vom Weg abgeschnitten war, geriet in Vergessenheit, wer am Weg lag, mit dem trat man in Kontakt, trieb mit ihm Handel und setzte ihn über neue Entwicklungen in Kenntnis.

Blick auf die Oberstadt  von Siegen, Links ist die Marienkirche zu sehen, in der Mitte die Nikolaikirche mit dem Krönchen. (Foto Bob Ionescu März 2005)
Blick auf die Oberstadt von Siegen, Links ist die Marienkirche zu sehen, in der Mitte die Nikolaikirche mit dem Krönchen. (Foto Bob Ionescu März 2005)

Die Straßen der Ortsnamen, die nachweislich schon im Mittelalter entstanden waren kamen von den Fernverbindungswegen und zwar wo die Wege hinführten. Zu ihnen gehörten in Siegen unter anderem die Marburger-, die Kölner- und die Löhrstraße, die 1404 noch Wetzlarer Straße hieß. Ab 1455 wurde sie Loirgasse genannt, weil das Löhergewerbe, was hier ansässig war, in Siegen zur Blüte gelangte. Alle anderen Straßennamen die in Siegen von Ortsnamen abgeleitet wurden waren erst in den letzten drei Jahrhunderten entstanden. Die Hagener - und die Frankfurter Straße gehörten auch dazu. Es waren die ersten Kunststraßen, die die Regierung im westlichen Deutschland von 1780 bis 1785 bauen ließ. Aber auch die Koblenzer Straße gehörte dazu. Die Kunststraßen waren ein großer Fortschritt gegenüber dem vor- und frühgeschichtlichen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Vor dem Ausbau der fast unbrauchbaren Wege und Straßen waren sie oft in einem so schlechten Zustand, dass man manchmal schneller zu Fuß ans Ziel kam, als wenn man gefahren wäre.

Siegen liegt in einem verzweigten Talkessel der oberen Sieg, in die innerhalb des Stadtgebiets Ferndorf und Weiß münden. (Foto H. Helmlecher Sept. 2011)
Siegen liegt in einem verzweigten Talkessel der oberen Sieg, in die innerhalb des Stadtgebiets Ferndorf und Weiß münden. (Foto H. Helmlecher Sept. 2011)

Im 18. Jahrhundert stieg der Verkehr durch die wirtschaftliche Entwicklung stark an, so dass die alten Straßen, die durch schwer beladene Karren, Kutschen, reitende Reisende und durch das Vieh, welches auch über diese Wege getrieben wurde, in sehr schlechtem Zustand waren. Ein Zuschütten der Fahrrinnen und Löcher genügte nicht mehr, sie mussten erneuert werden. Die Kunststraßen waren die ersten künstlich angelegten Straßen wie es der Name schon sagte. Sie wurden mit einer Steinpacklage versehen, wobei die Steine senkrecht eingebracht wurden. Ihre Hohlräume wurden mit Kies aufgefüllt und die Straßendecke war gewölbt. Für den Wasserablauf waren an beiden Seiten Gräben angebracht. Die Kunststraßen folgten wenn eben möglich den älteren vorhandenen Straßenführungen.

Straßen mit einer Berufsbezeichnung stammten meistens aus dem Mittelalter. Von der Metzgerstraße wusste man, dass sie früher einmal Fleischhauer Gasse geheißen hatte. Aber auch die Hirtengasse, die Schlossergasse, der Hüttenweg und die Hammergasse deuteten auf die berufliche Tätigkeit hin, die Ihre Anwohner einst durchführten. Inmitten der Altstadt lag die Barstewende, die eigentlich Badestubenwende hieß. Hier lagen im Mittelalter die Badestuben für die Bevölkerung. Zwei von den Berufsstraßennamen bestanden nicht mehr, es war die Webergasse, wo die Weberzunft zu Hause war und die Pannengasse, wo sich Pfannenschieden angesiedelt hatten.

Das Wappen der Stadt Siegen ist das offizielle heraldische Hoheitszeichen der deutschen Kreisstadt Siegen
Das Wappen der Stadt Siegen ist das offizielle heraldische Hoheitszeichen der deutschen Kreisstadt Siegen

Die Köln-Marburger-Straße führte durch die heutige Kölner-Straße den Sieberg hinauf über Marienborn weiter ins hessische Land. Die Süd-Nord-Straße kam vom Westerwald, führte über die Wetzlarer Straße über den Giersberg in nördlicher Richtung weiter. Für das neu erbaute Siegen war dieses Straßensystem, welches seit 1224 bestand von großer Bedeutung. Die drei Hauptstraßen der Stadt waren durch Stadttore mit Nebentoren geschützt. In einer Urkunde aus dem Jahr 1359 wurde erstmals die "marpurger gasse" erwähnt. 1404 wurde diese Gasse mit 23 Hausbesitzern erwähnt. 1593 bei dem großen Brand, wurde die ganze Straße ein Raub der Flammen.

Die Pannengasse in der die Pfannenschmieder wohnten, wurde 1347 zum ersten Mal erwähnt. Auf der unteren Seite dieser Gasse, im Hause des Pfannenschmieds Bosch entstand 1593 der große Brand. Im Brandbericht hieß es weiter, dass in der Pannengasse sehr wenige Häuser gestanden hätten, dagegen aber sehr viele Scheunen und Ställe. An ihrem unteren Ende stand der Weltersturm der heute zum Teil noch erhalten ist. Der Name Hinterstraße ist durch die Lage der Straße entstanden, sie lag am hinteren Siegberg. Über die ungefähre Lage der Straße „of dem pule“ kann nach den Verzeichnissen von 1404 und 1455 kein Zweifel sein, zumal die heutige Poststraße im Volksmund noch Pfuhl hieß und südlich von ihr der grüne Puhl noch war.

Siegen um 1850 nach einer Radierung von Eduard Weber
Siegen um 1850 nach einer Radierung von Eduard Weber

In einer Urkunde aus dem Jahre 1359 wurde erstmals die „marpurger gasse“ erwähnt. 1404 wurde diese Straße mit 23 Hausbesitzern erwähnt. 46 bedepflichtige, also steuerpflichtige Bürger, hatte diese Straße 1455. Die Webergasse hatte 1404 sieben Hausbesitzer. Aber 1455 wurden hier schon 20 bedepflichtige Bürger gezählt. Die Straße wurde 1386 weybirg gasse genannt. Aus dieser Gasse schenkte Tilchen Keitsch von seinem Haus dem Kloster Keppel eine Rente. Es wurde weiter berichtet, das 1559 Peters Johan sein Wohnhaus in der Weberstraße verkaufte. Der Hof dieses Hauses stieß an den Hof des Amtmanns Meffriedt von Brambach. In seinem Haus wurde Peter Paul Rubens 1557 geboren. Auch die Hochstraße, die Vorgängerin der Weberstraße wurde von Feuersbrunsten nicht verschont. 1952 fand man bei Ausschachtungsarbeiten große Mengen Scherben, die als Pingsdorfer Keramik festgestellt wurden und demnach aus dem 9. bis 11. Jahrhundert stammten. Anhand dieser Scherben war anzunehmen, dass die Webergasse schon vor 1311 besiedelt war.

Die Nikolaikirche im Jahre 1912 (Bild aus Lager 3000)
Die Nikolaikirche im Jahre 1912 (Bild aus Lager 3000)

Der Name Hundgasse hatte nichts mit einem Hund zu tun. Er stammte sehr wahrscheinlich von dem bekannten Hundertschaftsführer Hun oder Huno ab, welcher damals oberster Richter war. Deswegen war bestimmt in der Hundgasse seinerzeit auch eine Gerichtstätte gewesen. Im 15. Jahrhundert wurden hier viele Schmieden erwähnt. Dem gewaltigen Brand von 1593 fielen auch hier fünf Gebäude zum Opfer. In der Nähe des unteren Schlosses befand sich die Kutschengasse. In früheren Jahren mag sie wohl als Aufstellplatz für die herrschaftlichen Kutschen gedient haben. Von den Siegener Straßen und Gassen dürfte sie seinerzeit die kürzeste gewesen sein.

In der Poststraße im Sommer 1943 deren Häuser vom Turm der Marienkirche überragt werden. (Foto Erich Koch)
In der Poststraße im Sommer 1943 deren Häuser vom Turm der Marienkirche überragt werden. (Foto Erich Koch)

Der Liebfrauenaltar der Martinikirche erhielt 1504 eine Rente aus einem Haus in der "Hontgasse by der siberkutten". Demnach muss ein Bergwerk in der Hundgasse gewesen sein. Einige Ausgänge dieser alten Grube, die mit Sintern zugeschüttet waren, wurden in der Mitte des 19. Jahrhunderts wieder freigelegt. Bei Bauarbeiten in dieser Straße kamen 1952 Kellergewölbe zum Vorschein, die gut vier Meter Spannweite hatten und aus dem 16. oder 17. Jahrhundert stammten.

Die St.-Johann-Straße leitet den Namen von einem Kloster ab, welches im Mittelalter dort gestanden hatte und dem heiligen Johannes geweiht war. Die Hainstraße und der Hainer Weg ist durch den Stadtteil Unterm Hain entstanden. Die Bezeichnung ist auf einen eingehegten Hain zurückzuführen, der im gräflichen Besitz war, auf dem das "Haingericht" zu Hause war. Die Mauerstraße verlief an der östlichen Stadtmauer und wurde im Volksmund „det Botzebaij“ genannt. Sie war eine der steilsten Straßen in Alt-
Siegen.

Blick von der Siegbrücke  um 1910 mit Blick auf die Wiesen des Siegufers, über die ab 1968 die 'Siegplatte' errichtet werden sollte.
Blick von der Siegbrücke um 1910 mit Blick auf die Wiesen des Siegufers, über die ab 1968 die 'Siegplatte' errichtet werden sollte.

Wie alle Flurbezeichnungen hatten auch die Straßennamen in der Stadt Siegen, die nicht vollständig in diesem Bericht aufgelistet sind, einen sinnvollen Ursprung gehabt. Jahrhunderte sind schon viele alt und damit aus einer Zeit, die uns in heimatgeschichtlicher Hinsicht nicht bis ins Kleinste erschlossen war. Daher wird man auch die Bedeutung mancher alten Straßen- und Gassennamen in der Krönchen Stadt Siegen niemals ausgiebig ergründen können.

Literaturnachweis:
Gerhard Scholl: Von der Pannengasse zur Basgonke
Stadtverordneten-Verhandlung 1867: Bedeutende Straßen und ihre Namen
onlinestreet.de: Straßen in Siegen
Ulrich Schmidt: Neue Straßenführung neue Brücke
Hermann Böttger: Das mittelalterliche Siegen
Unser Krönchen: Es gab auch Krämergasse und Botzebaij

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