Skip to main content

Osterfeuer und Martinsfeuer loderten in der Dunkelheit

Viel wertvolles Volksgut geht uns leider in der heutigen schnelllebigen Zeit immer mehr verloren. Unsere Jugend kennt bereits manch schöne Vätersitte nicht mehr. Ich möchte daher von zwei Bräuchen berichten, die es heute auch noch bei uns gibt. Es ist das Martinsfeuer (Märdesfur) und das Osterfeuer die beide noch im Siegerland, aber besonders im Netpherland, durchgeführt werden.

Osterfeuer in Neunkirchen im Siegerland (Foto Andreas Wenzelmann)
Osterfeuer in Neunkirchen im Siegerland (Foto Andreas Wenzelmann)

Der Martinstag war das Ende des bäuerlichen Wirtschaftsjahres, neuer Wein konnte probiert werden, es war der Termin für den Viehabtrieb oder das Ende des Weidejahres sowie der traditionelle Tag, an dem die Entrichtung des Zehnten fällig war. Die Steuern wurden früher in Naturalien bezahlt, auch in Gänsen. An diesem Tag begannen und endeten Dienstverhältnisse, Pacht-, Zins- und Besoldungsfristen. Landpachtverträge beziehen sich bis heute noch häufig auf Martini als Anfangs- und Endtermin, da der Zeitpunkt dem Anfang und Ende der natürlichen Bewirtschaftungsperiode entspricht. Der Martinstag wurde deshalb auch Zinstag genannt.

Das Märdesfur sollte ursprünglich bei einer herbstlichen Feier zu Ehren einer germanischen Gottheit gelodert haben. In Raumland, Siegen und Netphen trugen die alten Kirchen seinen Namen Martini. In Netphen hatte man die evangelische Kirche aus dem 12. bis 13. Jahrhundert sowie die im 19. Jahrhundert erbaute katholische Kirche Martinikirche genannt. Letztere hatte sich St. Martin, Bischof von Tours in Frankreich zum Kirchenpatron erwählt. Eng mit dem kirchlichen Leben war das Martinsfeuer verbunden.

Osterfeuer in Wilnsdorf lockte zahlreiche Zuschauer (Bild aus wirsiegen)
Osterfeuer in Wilnsdorf lockte zahlreiche Zuschauer (Bild aus wirsiegen)

Mit Einbruch der Dunkelheit wanderten am ersten Sonntag immer nach Martinstag (11. November) viele Menschen von Netphen zum alten Sportplatz am Fuße des Bernstein (Bernstein gleich Brennstein, vorchristliche Opferstätte) zum Kreuzberg. Hier wurde ein etwa 15 Meter hoher Turm aus Schanzen, Stroh und Tannenholz von den Martinsjungen angezündet. An der Spitze des Turmes war ein aus Stroh geflochtenes Kreuz und in Netphen verbrannte ein Halbmond aus Papier. Während die Flammen zum Himmel loderten sang die Bevölkerung das Martinslied: "Sankt Martin, nimm den Hirtenstab noch einmal in die Hand. O steig vom Himmelschloss herab und walle segnend durch das Land.“

Aufbau vom Osterfeuer In Hamburg-Blankenese (Von Sansibla - Eigenes Werk)
Aufbau vom Osterfeuer In Hamburg-Blankenese (Von Sansibla - Eigenes Werk)

Dann brachten ein paar kräftige Jungen das brennende Gerüst zum Einsturz. Nun liefen die Kinder zum Feuer um ihre Fackel anzuzünden. Die Fackeln waren meistens aus Eichenholz, was am Ende mit einem Hammer faserig geklopft wurde. Der Platz verwandelte sich nun in ein Lichtermeer. In Eschenbach unternahm die Schuljugend vorher einen Fackelzug. Die Fackeln waren hier früher aus Rüben gefertigt. In Rudersdorf war das Martinsfeuer unbekannt. Hier wurde bei Dunkelheit ein Fackelzug mit St. Martin hoch zu Ross veranstaltet und die Kinder folgten mit bunten Lampions. Mit einer Kapelle wurden dabei Martinslieder gesungen. Vor dem Gotteshaus fand eine kleine Ansprache statt. Anschließend verteilte St. Martin Martinswecken an die Kleinen. Seit 1952 fand in Irmgarteichen jedes Jahr ein Martinszug durch den Ort statt. Auf dem Kirchplatz wurde nach dem Umzug eine Martinsgeschichte vorgetragen. Danach teilte St. Martin, der auf einem Pferd mit geritten war, seinen Mantel und gab eine Hälfte dem frierenden Bettler. Es folgten Fürbitten und dann wurden die Martinswecken ausgeteilt.

Pastorin Ursula Kopitzki-Schröder ließ die Kerze von Stefan Kretzschmar  anzünden. Quelle: Kirchenkreis
Pastorin Ursula Kopitzki-Schröder ließ die Kerze von Stefan Kretzschmar anzünden. Quelle: Kirchenkreis

Wenn der Winter sein Ende ankündigte und die ersten Frühlingsblumen ihre Köpfe aus dem Boden steckten, wusste jeder, dass sich die dunklen Tage langsam wieder verabschiedeten. Doch auch die Osterfeuer vertrieben allerorts symbolisch den kalten Winter mit seinen bösen Geistern. Die hellen und knisternden Feuer leuchteten das Frühjahr ein. In vielen Regionen Deutschlands symbolisierten die züngelnden Flammen das Licht Christi. Dem ehemals heidnischen Brauch verschaffte das Spektakel einen religiösen Bezug.

Osterfeuer wurden zu Ostern in der Liturgie der Kirche und vielerorts aufgrund verschiedener Bräuche entfacht. Der Brauch des Osterfeuers hatte einen Germanisch-Heidnischen Ursprung. Das älteste schriftliche Zeugnis war aus dem Jahre 751 und zwar ein Briefwechsel mit Papst Zacharias. In diesem Brief wurde ein Brauch beschrieben, der als Passafeuer bezeichnet wurde. Es wurde darin die Frage aufgeworfen, wie die Kirche damit umzugehen hatte. Daraus lässt sich schließen, dass die römische Kirche Osterfeuer noch nicht kannte aber auch keine Feuerwache.

Der heilige Martin und der Bettler, EL Greco (um 1597–1599)
Der heilige Martin und der Bettler, EL Greco (um 1597–1599)

Das Osterfeuer, welches seit Jahrhunderten am Ostersonntag leuchtete, ist einer der Höhepunkte unter den österlichen Bräuchen. Wenn auch germanische Sonnenkulturen der Ursprung sein sollten was von vielen abgelehnt wurde da vielmehr christliche Bräuche festzustellen waren. Schon der älteste bekannte Beleg aus Hörde der Grafschaft Mark sollte schon 1342 mit dem Feuergott für die Erlösung von den Sünden und die Zurückweisung des Teufels gedankt worden sein. Aus kirchlicher Sicht sollte das Feuer die Freude über die Auferstehung Jesus symbolisieren, aber auch eine erneuerbare Kraft schrieb man ihm zu. Auch sollte häufig die Judasverbrennung eine Rolle spielt haben, da nach biblischer Überlieferung Judas Jesus verraten hatte. Aus diesem Grunde wurde manchmal eine Judaspuppe die über dem Reiserhaufen hing verbrannt.

60. Martinszug in Irmgarteichen (Bild aus irmgarteichen.net)
60. Martinszug in Irmgarteichen (Bild aus irmgarteichen.net)

Die Kirche war nicht frei von Konflikten bei den Osterfeuern. Von einem Pfarrer aus dem Lippischen wurde berichtet, dass er den Leuten heidnische und teuflische Gewohnheiten vorgeworfen habe, dass sie an den Heiligen Ostertagen mit dem Sonnenuntergang an gewissen Orten zusammen kamen und ein großes Feuer machten. Dabei sei vor allen Dingen ihr Geschrei mit rufen, schießen und fluchen verbunden und außerdem allerhand Leichtfertigkeiten, die sie trieben. In Lippe war 1794 das Osterfeuer verboten worden. In einem Zeitungsartikel wurde es als abergläubig und irrsinnig angesehen. Um es zu umgehen wurde der Osterlauf veranstaltet. Bei diesem Brauch wurden große Spezialräder, die mit Stroh voll gestopft waren brennend vom Osterberg ins Tal gerollt. Eine Stange in der Mitte des Rades diente zum stabilisieren des Laufes.

Dieses Geschehen hatte sich um 1900 zu einem regelrechten Schaulaufen entwickelt und zog viele Personen an. Die Nazis beschränkten sich 1935 nicht nur auf Parolen und Embleme ihres Regimes, was sie auf die Räder anbrachten, sondern sie machten auch mit Lautsprecherwagen darauf aufmerksam, dass dieser Brauch sowie das Osterfest von dem Romantiker Jakob Grimm, erfundene Göttin Ostara, zurück gehe. Dieses stieß jedoch auf große Ablehnung. So errichteten die Bauern auf einem privaten Grundstück des Osterberges ein weithin sichtbares großes Holzkreuz. Es war die Antwort auf die nationalsozialistischen Parolen. Für die Bauern stand der christliche Brauch unausweichlich fest.

Wenn Feuerräder ins Tal der Emmer rollen (Aus feste-und-maerkte)
Wenn Feuerräder ins Tal der Emmer rollen (Aus feste-und-maerkte)

Zu Beginn der Liturgie der Osternacht in der Katholischen Kirche wurde ein Feuer entzündet. Nachdem die Gemeinde sich um das Osterfeuer versammelt hatte entzündete der Priester an dem Feuer die Osterkerze. Sie wurde nach der Weihe in die dunkle Kirche getragen. Sie versinnlichte dabei Christus als das Licht der Welt, wie einst die Israeliten der Feuerschale durch die Wüste folgten. So verfolgten die Gläubigen Jesus Christus auf dem Weg vom Tod zum Leben. Im Osterfeuer wurden oft Reste der heiligen Öle aus dem Vorjahr verbrannt.

Rund um das Osterfeuer hatte sich im Laufe der Jahre einiges verändert. Früher war nichts drum herum. Nach dem Abbrennen des Feuers am Ostersamstag waren die Besucher nach Hause gegangen. Heute ist dieses anders. Die Leute blieben auch wegen des Imbissstandes und den Getränken länger zusammen um zu feiern.

Wohltätig ist des Feuers Macht, wenn sie der Mensch bezähmt bewacht, heißt es in Schillers Lied von der Glocke. Eine Weisheit die sich bis heute bewährt hatte. Denn so lange der Mensch das heiße Element unter Kontrolle hatte, ist es nutzbringend wie das Oster- und Martinsfeuer. Es spendete Freude, Wärme, Licht und schmeichelte unsere Sinne.

Literaturnachweis:
Hermann Kronshage: Märdes und Osterfur-Zwei alte Bräuche im Netpherland
WIKIPEDIA: Osterfeuer
Lutz Volmer: Osterfeuer als Glaubenszeugnis
www.irmgarteichen.net: Martinszug-Irmgarteichen
Alexander Wollschläger: Die Tradition der Osterfeuer lebt wieder auf
Helles-Koepfchen.de: Martinsfeuer einfach erklärt
Wikipedia: Martinsfeuer

Druckversion (nur Text) als pdf-Datei zum Herunterladen