Das verschwundene Dorf Merklinghausen
Heute erinnert nur noch ein Flurname ,,Merkuse‘‘ ein Straßenname sowie eine Haubergsgenossenschaft an die einstige Ortschaft Merklinghausen. Aber auch der Merklinghäuser Wald nördlich von Müsen auf einer Höhe gelegen, erinnert uns an die ehemalige Gemeinde. Es ist erstaunlich, dass eine Siedlung, deren Einwohner zum größten Teil von der Pest, die zwischen 1597 und 1636 im Ferndorftal wütete, weggerafft wurden, heute noch so in Erinnerung ist.
Die Wüstung Merklinghausen hat schon weniger beschauliche Tage erlebt
Erstmals tauchte der Name Merklinghausen um 1300 im kirchlichen Abgabeverzeichnis an Mainz (bei ungenauer Schreibung) mit Merkelenhusen auf. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat es in Merklinghausen Jahrhunderte vorher schon Ansiedlungen gegeben. Da der größte Teil der Bevölkerung damals des Schreibens nicht mächtig war, traten die kleineren Ortschaften oft erst durch einen Zufall wie hier in Erscheinung.
Am 21. August 1345 trat ein ,,Tylo von Merkilnhusen‘‘ als Zeuge auf dem Ferndorfer Friedhof vor der Kirchengemeinde auf. Im Jahre 1378 verkauften Thyle von Merkelchusen und seine Ehefrau Jutte eine erhebliche Rente von Korn, aus ihren Gütern ,,tzu Merkelchusen‘‘, an das Kloster Keppel. 1397 und 1398 war ein Johann Merkilchusen Pastor in Siegen gewesen. Die Siedlung musste schon älter gewesen sein. Etwa zur gleichen Zeit waren auch die Orte Burgholdinghausen, Fellinghausen, Langenholdinghausen und Unglinghausen entstanden. Alle Ortsnamen enden nämlich auf –inghausen.
Auch dieser Ortsname hatte sich über die Jahrhunderte oft verändert. So schrieb man Neckelenhusen um 1300, Merkilnhusen 1345, Merkelchusen 1378, Merkilchusen 1397, Merckelnkusen 1398 und 1500, Merkelkusen 1417, Merckelkusen 1461, Merkelkuss 1463, Merkelnhausen 1558 und 1563, Merckelkaussen 1562/63 und 1583, Merrkelkhusen 1566 und 1572, Merrkelkhausen 1581, Mercklinghaussen 1599, 1690, 1710 und 1718. Der Name Merklinghausen trat erstmals 1836 in Erscheinung und blieb bestehen.
Von 1417 bis 1419 zahlten drei Höfe aus dem Dorf je 1,5 Malter Korn Zinsen. Es waren ,,Johann von Merkelkusen‘‘, Wyse Henne‘‘ und ,,Hennecke uff dem Berghe‘‘. Alle drei Güter waren seinerzeit im gräflichen Besitz. Sie müssen alle etwa gleich groß gewesen sein, denn jedes von ihnen war mit 100 Gulden angesetzt. Die Höfe müssen öfters ihre Besitzer gewechselt haben. So hatten die Herren von Lohe 1429 das Zentrecht. Das heißt ein Zehntel des Ertrages gehörte ihnen.
Alte Steinbrücke
Den ersten gräflichen Hof verwaltete gegen Ende des 16. Jahrhunderts Johann Meusborn. Er besaß vermutlich in Müsen oder Dahlbruch neun Hüttentage. Reidemeister Obenstruth zu Siegen schuldete er 46 gl, Peter auf’m Hammer im Kölschen 6 gl und Thomas auf Hillnhütten 90 gl. Johann und zwei seiner sieben Kinder waren bereits 1599 an der Pest verstorben. Der zweite Hof wurde von Neusens bearbeitet und stand finanziell am Besten. Er besaß acht Hüttentage und schuldete Agnesen zu Welschenengsten 135 gl. für 4,5 Wagen Eisen. Kolbs hatten den dritten Hof. Auch sie hatten neben der Hofbewirtschaftung und Kohlenbrennerei mit Eisen zu tun und hatten ähnliche Schulden. Alle drei Höfe waren sehr begütert und zählten damals zu den Wohlhabendsten. Aus diesem Grunde hatten bestimmt auch einige Personen bei ihnen Schulden gehabt, was aber nicht in der Chronik festgehalten war.
Die Höfe müssten dann geteilt worden sein, denn es standen später sechs Familien in den Kirchbüchern. Im Siegerländer Heimatkalender von 1920 wurde von einer alten Akte berichtet, wonach Anno 1563 Merkelnhausen 6 Häuser, 66 Seelen und 97 Stück Rindvieh hatte. Müsen, dass zur damaligen Zeit wegen des Bergbaus ein bedeutendes Dorf war, hatte seinerzeit 152 Einwohner. Aber auch das Nonnenkloster Keppel hatte hier ein mächtiges landwirtschaftliches Gut gehabt. Es wurde von Lorenz Irle, der vom Irlenhof zu Ferndorf stammte, bearbeitet.
Bergmann mit Grubenhunt (Förderwagen), Kaffeeblech, Froschlampe und Ölflasche “umrahmt” vom Portal des Tiefen (Erb-)Stollens in Müsen
Über den Keppelhoff zu Merckelhaußen wurde aus dem Jahre 1621 folgendes berichtet. ,,Dießes deß Klosters eygen Hoff vnnd Zugehörige güter daselbsten hatt Arnols Johan, Unser zur Zeit Hoffmeister im Brauch vnd Zu Lehen vnderhandt.‘‘ Vorhanden war eine ,,Hoffwiese‘‘ die am Ende des Wohnhauses lag und die andere Seite an die ,,Hörlestraße‘‘ grenzte. Daneben eine weitere Wiese die ,,Lanndstraße‘‘ genannt wurde. Aber auch die ,,Keppler Marck‘‘, ,,am Haar Wege‘‘, ,,Wiese in der Breydenbach‘‘, ,,Felt bober dem Hoff‘‘ sowie das ,,Haugstückelgen‘‘ , was oben an die Landhecke stieß, werden erwähnt.
Wenn auch auf den Höfen Großfamilien gelebt hatten, so konnten die Arbeiten in Wald und Feld, da sie sehr umfangreich waren nur mit zusätzlichem Personal erledigt werden. Der Chronist schrieb:,, 1710 hatte das gräfliche Gut Mercklinghaussen folgende Grenze ,,obig der untersten Müssener hütte biss auf die Asspe – Käpplisch feld – Winterbach herunter – längs dem Winterbacher Kappelisch berg – Merckhauser berg – höhe an dem Breydenberge – alte Merckhauser fuesspfadt – längst die Käppelisch-Winterbacher berge – Rothe Nolle – Müssener Hauberg – oberste Müssener hütt – underste hütte.‘‘ Nach dieser Abgrenzung dürfte die Gemarkung von Merklinghausen größer gewesen sein als heute allgemein angenommen wird.
Den Kirchenbüchern ist auch zu entnehmen, dass am 3. Januar 1618 ein Kleinkind tot in einem Ameisenhaufen auf dem Wüstenhof in Merklinghausen gefunden worden ist. Die Mörderin aus dem Wittgenstein stammend, war die Mutter des Kindes. Sie wurde kurz darauf in Siegen gerichtet und ertränkt. Um die vorletzte Jahrhundertwende soll ein Bauer Namens Hein auf dem ,,Wüste Hoff‘‘ (Flurnamen aus Merklinghausen) beim Pflügen einen Topf mit Goldmünzen gefunden haben. Er soll hierdurch ein reicher Mann geworden sein.
Bis Anfang des 17.Jahrhundert gehörte Merklinghausen zum Gericht, Amt und Kirchspiel Ferndorf. Nach den Auswirkungen der nassauischen Erbteilungen kam es ab 1621 zum Amt und Gericht Hilchenbach. 1627 wurde es dem Kirchspiel Müsen zugeschlagen.
Tor zum Mundloch “Tiefer Müsener Stollen” in Müsen
Vermutlich sind nach der Pest und Ende des 30jährichen Krieges (1648) die noch wenigen restlichen Bürger von Merklinghausen nach und nach in das wirtschaftlich besser stehende Dorf Müsen abgewandert. Ende des 17. Jahrhundert wurde es in Merklinghausen sehr ruhig, da nach den Kirchenbüchern aus Müsen im Jahre 1702 die wohl letzte Bewohnerin Elisabeth Hinckell geb. Meusbach verstarb. In einer Urkunde von 1709 hieß es sinngemäß, Gemarkung Merklinghausen ohne Wüstenhof und ohne Wüstenplätze an Müsener Einwohner für 2 000 Reichstaler verkauft. Mit großer Wahrscheinlichkeit hatten auch die enormen Steuerlasten von den Fürsten und die Frondienste mit den Zugtieren zu dieser Entscheidung beigetragen. Danach wurde Merklinghausen, wie es der Volksmund seit langem sagt, eine Wüstung.
In den 1980er Jahren rückte das Areal von Merklinghausen noch einmal in die Schlagzeilen, denn auf ihm war ein 18 Loch Golfplatz geplant. Wegen Ungereimtheiten und Protesten wurde das Vorhaben hier fallen gelassen. Die herrliche Anlage wurde im Heestal in Kreuztal gebaut und ist sehr beliebt.